Selbstmord der Engel
nicht viel Kühle. Glenda stellte sich an ein offenes Fenster und schaute hinaus in die Nacht, wo sie die Lösung des Falls leider nicht fand und sich wieder umdrehte.
Ich hatte inzwischen etwas zu trinken besorgt. Wir mixten Wasser und Orangensaft, tranken, schauten uns an, und Glenda Perkins fragte: »Sollen wir jetzt warten?«
»Ich weiß es nicht.«
Beide fühlten wir uns mies, sprachen darüber allerdings nicht, sondern grübelten vor uns hin. Nach dem dritten Schluck wusste ich, was ich tun wollte. Ich wollte einen letzten Versuch starten, um Maxine Wells zu erreichen. Es konnte ja sein, dass es ihr gelungen war, vor Belial zu fliehen und sich in Sicherheit zu bringen. In bestimmten Situationen klammerte man sich an jeden Strohhalm, aber es kam anders wie so oft im Leben.
Mein Telefon meldete sich. Diesmal nicht das Handy, sondern der schmale Apparat auf der Feststation.
Ich hob ab und meldete mich.
Zuerst hörte ich nichts. Abgesehen von scharfen Atemzügen. Da war wohl jemand überrascht gewesen, meine Stimme zu hören, aber ich war davon überzeugt, die Anruferin zu kennen und sagte deshalb: »Maxine...?«
Ein leiser Aufschrei...
»Bist du es?«
»Ja, John, ich!«
Erleichtert atmete ich auf und schaltete den Lautsprecher ein, damit Glenda mithören konnte.
»Geht es dir gut?« Ich wollte einfach nur ein Gespräch beginnen, auch wenn die Frage nicht eben perfekt war.
Maxine Wells ging nicht darauf ein. Dass es ihr nicht gut ging, entnahm ich ihrem Schluchzen, und dann brach es aus ihr hervor. »Sie ist weg, John! Carlotta ist weg! Ich habe es nicht geschafft! Ich habe sie nicht beschützen können. Ich habe versagt. In all der Zeit konnte ich meine schützenden Hände über sie halten, doch das ist jetzt vorbei. Dieser Engel der Lügen war stärker. Er drang in unser Haus ein, und dann ist es vorbei gewesen.«
»Okay, ich weiß jetzt Bescheid. Was hat Belial mit Carlotta gemacht?«
»Sie sich geholt.«
»Ist sie verletzt? Hat sie sich gewehrt?«
»Nein. Sie... sie... das war sowieso seltsam. Ich kann es nicht begreifen.« Sie legte eine kleine Pause ein, und ich hörte sie schluchzen. »Es war nicht mal Gewalt mit im Spiel, John. Für mich ist es ein Rätsel, denn Carlotta ging fast freiwillig mit ihm. Er brauchte nur seine Hände auszustrecken. Er hat sie gelockt, geholt, sie ist zu ihm gegangen. Fast wie eine Tochter zu ihrem Vater. Ich wollte sie zurückhalten, was mir jedoch nicht gelang. Die Macht des Lügen-Engels war einfach zu stark. Er nahm sie mit.«
»Was hast du getan?«
Jetzt lachte sie scharf auf. »Natürlich habe ich versucht, die Entführung zu verhindern. Es ist mir nicht gelungen. Die andere Seite war stärker. Ich konnte mich nicht wehren. Aus seinen Händen schossen Blitze. Ich steckte plötzlich fest. Ich war eine Gefangene innerhalb dieser Lichtstrahlen. Dann war es für mich vorbei.«
»Aber du bist nicht verletzt?«
»Nein, obwohl es mir nicht gut geht.«
»Das ist klar. Ich würde auch gern bei dir sein, aber ich denke auch, dass es nicht leicht sein wird, Carlotta zu finden.«
»Richtig, John. Kannst du dir denn vorstellen, wohin er sie geschafft hat?«
»Nein, Max, so Leid es mir tut, das kann ich beim besten Willen nicht. Das Feld ist einfach zu groß, und ich bin mir nicht mal sicher, sie noch in dieser Welt zu finden. Das heißt, in unserer Welt. Ich gehe davon aus, dass er sie in eine andere verschleppt hat. In eine Welt, aus der er gekommen ist. Damit müssen wir leider rechnen. Und diese Welt zu finden, ist verdammt schwierig.«
»Ja, das denke ich auch. Aber warum ist es passiert? Was sollte diese Entführung? Was will Belial von Carlotta? Kannst du dir das vorstellen?«
»Nein, leider nicht. Ich denke, dass er sie sich geholt hat, weil sie anders ist. Carlotta muss man als ein Phänomen bezeichnen, und genau das ist Belial auch.«
»Du glaubst nicht, dass er sie töten wird?«
»Das hoffe ich nicht. Warum sollte er das tun? Dann hätte er sie nicht erst zu entführen brauchen. Ich kann mir denken, dass etwas anderes dahinter steckt.«
»Und was?«
»Keine Ahnung, Max. Meine Fantasie reicht nicht aus. Eines aber ist sehr ungewöhnlich, und da komme ich von Belial und Carlotta weg. Wir haben zwei Selbstmorde der Engel erlebt. Bei einem war Carlotta Zeuge, beim zweiten Glenda und ich. Warum ist das passiert? Das ist die große Frage, die wir uns stellen müssen.«
»Ich kenne die Antwort nicht, John.«
Da ich im Sessel saß, streckte ich meine
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