Selbstmord der Engel
Beine aus. »Ja, das ist klar, Max. Ich denke darüber nach, drehe den Fall hin und her und kann mir nur einen Grund denken.«
»Welchen denn?«
»Es war so etwas wie ein Hilfeschrei. Die Engel wollten auf sich aufmerksam machen. Auf ein Problem, das sie überfallen hat. Sie sahen keinen anderen Ausweg.«
»Ja, ja«, sagte die Tierärztin nach einer Weile des Nachdenkens. »Da könntest du Recht haben. In deinem Fall stimme ich dir zu, aber bei Carlotta habe ich meine Probleme. Da bin ich ehrlich. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie helfen könnte. Dazu ist sie einfach zu schwach. Sie gegen diesen Lügen-Engel – mein Gott, das wird sie nicht überleben.«
»Nicht unbedingt gegen, Max. Ich könnte mir auch vorstellen, dass sie mit ihm zusammen geht.«
»Was?«
»Ja. Sie ist etwas Besonderes. Das weiß auch Belial. Was er mit ihr vorhat, das weiß ich nicht, aber ich bezweifle, dass er sie töten wird. Sie kann für ihn ein Pfand sein, aber sie sollte sich hüten, sich auf ihn zu verlassen, auf seine Versprechungen, auf sein Gerede, denn er ist der Engel der Lügen. Er lügt und sieht dies selbst als Wahrheit an. Das macht er nicht mal bewusst. Er kann einfach nicht anders. So muss man das sehen. Und so schafft er es auch, die Engel in den Selbstmord zu treiben, was für mich wiederum nur schwer nachvollziehbar ist. Aber ihn zu begreifen, ist sowieso unmöglich. Er ist aus der Hölle gekommen. Es hat ihn schon sehr lange gegeben, auch schon, als sich die Menschen noch auf einer tieferen Entwicklungsstufe befanden als jetzt. Immer wieder ist er ihnen erschienen. Das haben Wissenschaftler herausgefunden, als sie uralte Höhlen entdeckten und dort gewisse Zeichnungen fanden. Auch von Personen und Gestalten, die sie nicht nachvollziehen konnten. Die schaurig und fremd wirkten und den Menschen damals sicherlich Angst eingejagt haben. Ich erzähle dir das, damit du dir ein Bild von ihm machen kannst und weißt, mit welch einem Gegner wir es zu tun haben.«
Nach meiner Erklärung musste Maxine schweigen. Nur so verdaute sie das Gehörte. Dann stellte sie eine sehr berechtigte Frage. »Kann man davon ausgehen, dass dieser Belial so gut wie unbesiegbar ist?«
Eine Antwort fiel mir schwer. »Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Es könnte sein. Zumindest habe ich es noch nicht geschafft, obwohl ich ihm Niederlagen beibringen konnte. Ich habe ihn vertreiben können. Er hat seine Pläne nicht durchgesetzt. Natürlich hasst er mich, und er hält jetzt mit Carlotta einen perfekten Trumpf in den Händen. Das sollten wir nicht vergessen.«
»Ja, John, so sehe ich das leider auch. Dann müssen wir uns also auf seine Güte verlassen, dass er Carlotta irgendwann wieder freilässt.«
»So sieht es aus.«
»Und wir sollen das akzeptieren?«, fragte sie kämpferisch.
»Nein. Oder vorerst schon. Es gibt im Moment keinen anderen Weg, Max. Wir können nicht agieren, denn wir wissen nicht, wo wir suchen sollen. Es ist noch zu schwer. Er hält alle Trümpfe in den Händen, und so bleibt uns nichts anderes übrig, als abzuwarten.«
»Das kann ich nicht!«
»Du musst es aber können. Du musst in diesem Fall über deinen Schatten springen.«
»Es ist Wahnsinn.«
»Klar ist es Wahnsinn. Was in meinem Job ist schon normal? Aber wir kommen daran nicht vorbei. Ich selbst bin unwahrscheinlich sauer, dass ich in dieser Klemme stecke. Ich hätte mir gern alles anders vorgestellt. Ist nicht mehr möglich, aber ich bin auch nicht so pessimistisch. Ich weiß, dass es weitergehen wird. Das Ende ist nicht erreicht, Max. Wir werden von Belial noch hören.«
»Ja«, sagte sie leise. »Das vermute ich auch. In diesem verdammten Fall hoffe ich es sogar. Von Belial und auch von Carlotta. Der Gedanke daran, dass sie nicht mehr ist oder sein könnte, frisst mich auf.«
»Keine Sorge, wir packen es.«
»Danke für den Optimismus. Aber so recht kann ich ihn nicht nachvollziehen.«
»Jedenfalls bleiben wir in Kontakt. Sobald sich etwas Neues ergibt, melde ich mich.«
»Ja«, sagte sie und stöhnte dabei. »Es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben.«
Es war zu hören, dass ihr wieder die Tränen hochkamen. Ihre Stimme klang entsprechend. Ich wusste auch nicht mehr, mit welchen Worten ich sie trösten sollte. Es war eigentlich alles gesagt worden. Was jetzt passierte, das lag nicht mehr in unserer Hand. Da spielten andere Kräfte eine Rolle.
Ich hörte nichts mehr und stellte mit einer langsamen Bewegung das Telefon wieder auf
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