Selbstmord der Engel
Hilferufe. Einmal bei euch und zum anderen bei einem Mädchen, das sie beobachtet haben. Sie erkannten, dass es fliegen kann. Sie dachten, dass es zu ihnen gehört. Deshalb hat einer davon die Aufmerksamkeit auf sich gezogen.«
»Aber sie hätten sich nicht selbst zu töten brauchen.«
»Doch, John, sie konnten nicht anders reagieren. Seine Seele steckte in ihnen. Sein Licht, seine Kälte, und aus diesem Gefängnis konnten sie nicht mehr entkommen. Alles, was man ihnen versprach, existierte nicht mehr. Es ging kaputt, der Engel hat sie belogen, und sie sind darauf hereingefallen. Er wird ihre Welt leeren, aber das ist für ihn nur der Anfang. Es gibt zahlreiche Welten, in der die unterschiedlichsten Engel existieren. Das will er nicht hinnehmen, und so treibt er sie in den Selbstmord hinein.«
»Wo passierte das noch?«, fragte ich.
»Ich kann es dir nicht sagen. Aber ich glaube nicht, dass es auf dieser Welt passiert ist. Sie sterben in einer anderen Dimension. Manche gehen glücklich in den Tod hinein, andere haben ihn durchschaut und versuchen, ihm zu entgehen. Es gelingt ihnen nicht immer, und ich kann nicht überall sein, denn auch meine Kräfte sind begrenzt. Ich hätte dich auch nicht besucht, wenn es das Schicksal nicht anders im Sinn gehabt hätte. Denn jetzt ist jemand bei ihm, den du kennst...«
»Carlotta«, gab ich mit leiser Stimme zu.
»Genau sie.«
»Und was hat er mit ihr vor?«, flüsterte ich.
»Ich weiß es nicht. Er ist der Engel der Lügen, und er wird ihr nur seine Wahrheit gesagt haben. Es liegt deshalb an ihr, sie zu glauben oder nicht. Wahrscheinlich wird sie auf ihn reinfallen, denn viele Menschen glauben den Lügnern, den Schmeichlern...«
»Und den Politikern«, fügte ich leise hinzu.
»Das ist für mich nicht relevant«, erklärte Raniel. »Ich will nur, dass Belial nicht gewinnt.«
»Und dabei soll ich dir helfen?«
Er schaute mich intensiv an. »Das musst du, John Sinclair. Du bist gezwungen, denn die entführte Person ist auch irgendwie dein Schützling. Das darfst du nicht vergessen.«
»Richtig.«
»Dann sollten wir uns beeilen.«
Das war auch in meinem Sinne. Ich bekam mit, dass Glenda leicht zusammenzuckte. Sie sagte allerdings nichts, das überließ sie mir.
»Da wäre noch ein Problem«, gab ich zu bedenken.
»Welches?«
»Wenn du so gut über Carlotta informiert bist, wird dir auch bekannt sein, wer sie unter ihre Fittiche genommen hat. Es ist...«
»Maxine Wells«, sagte Raniel.
»Ja.«
»Sie hat damit nichts zu tun«, erklärte der Gerechte.
»Das sehe ich anders. Ich habe mit ihr telefoniert. Ich weiß, dass sie sich große Sorgen macht. Ich möchte sie darüber informieren, dass wir uns auf die Suche machen werden. Ich weiß, dass es ihr schlecht geht. Sie soll wenigstens einen Funken Hoffnung behalten.«
»Ich bin einverstanden.«
»Gut, dann werde ich sie anrufen.«
Als ich zum Telefon ging, meldete sich Glenda Perkins zum ersten Mal. »John, wenn wirklich die Zeit drängt, könnte ich das noch übernehmen. Ich weiß ja Bescheid. Ich kann ihr alles sagen und...«
»Leider nicht. Mich kennt sie.«
»War nur ein Vorschlag.«
»Danke.«
In der nächsten Minute erlebte ich eine Enttäuschung. Ich hatte damit gerechnet, dass Maxine Wells sich sehr schnell melden würde. Nichts dergleichen passierte. Sie ging überhaupt nicht ans Telefon. Das sorgte dafür, dass meine Sorgen nicht geringer wurden.
Mir schossen zahlreiche Gedanken durch den Kopf, die nicht eben positiv waren. Ich befürchtete, dass Belial noch mal zu ihr zurückgekehrt war, um keine Zeugin zu hinterlassen. Der Gedanke, eine tote Tierärztin zu finden, trieb mir den Schweiß auf die Stirn. Ich stufte die Gefahr für Maxine höher ein als für das Vogelmädchen.
»Wir haben ein Problem!«, erklärte ich.
Raniel dachte nach. Er war jemand, der schnell entschied und fragte auch jetzt: »Wie sollen wir es lösen?«
»Maxine Wells ist wichtig.«
»Das sehe ich ein.«
»Ich möchte mich überzeugen, ob es ihr gut oder schlecht geht. Das müsstest du verstehen.«
Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. Das passierte bei Raniel selten. »Lass uns gehen«, schlug er vor.
»Aber Maxine...«
»Du wirst zufrieden sein.«
Ich hob die Schultern an. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihm zu vertrauen. Ich besaß auch keinen Spielraum. Die Trümpfe hielt er alle in seinen Händen.
»Komm jetzt!«
Raniel ging bereits zur Tür. Ich setzte mich ebenfalls in Bewegung, wurde aber von
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