Selbstmord der Engel
Glenda abgefangen, die plötzlich in die Höhe schnellte. »John, was ist...«
»Bitte, keine Fragen mehr. Du hast alles mitbekommen und weißt, dass mir keine andere Möglichkeit bleibt.«
»Schon, aber...«, sie schaute zur Tür, wo Raniel nicht mehr zu sehen war. »Kannst du ihm wirklich vertrauen?«
»Ich muss es, Glenda, er ist der Gerechte.«
»Ja, ja, das sehe ich ein. Er ist der Gerechte.« Sie konnte nicht mehr sprechen, doch der Ausdruck in ihren Augen sagte mir alles. Sie hatte eine wahnsinnige Angst um mich.
Ich wusste, was ich jetzt tun musste und hielt mich auch nicht zurück. Als ich meine Arme um Glenda legte, spürte ich ihr Zittern. Sie presste sich an mich und flüsterte: »Es kommt mir vor wie ein schrecklicher Abschied, John.«
»Er ist weder schrecklich noch endgültig. Das solltest du wissen. Wir kommen zurück, und ich hoffe, dass ich es schaffe, Carlotta zu retten. Sie darf nicht in den Fängen des Lügen-Engels bleiben. Das wirst du doch verstehen.«
»Ja, John, klar...«
»Okay, dann drücke uns die Daumen. Bleib in der Wohnung. Oder warte auf Suko und Shao.«
Ich sah, dass sie nickte und hörte, wie sie ihre Nase hochzog. Leicht fiel ihr der Abschied nicht, was ich verstehen konnte. Auch ich verließ die Wohnung nicht eben mit leichtem Herzen. Hätte es eine andere Möglichkeit gegeben, ich hätte sie bestimmt genutzt, doch hier gab es nur die eine.
Dann ging ich zu Raniel, der schon auf mich wartete...
Glenda Perkins wischte über ihre Augen, als sich John Sinclair von ihr gelöst hatte. Sie holte tief Luft. Sie ging mit sich selbst ins Gericht und kam zu dem Schluss, dass sie sich wie eine dumme Gans benommen hatte. Aber der Mensch hat nun mal Gefühle. Niemand kann aus seiner Haut.
Sie hörte noch, wie die Tür leise ins Schloss schlug. Im Raum stehen bleiben wollte sie auch nicht. Etwas trieb sie voran. Sie glaubte nicht daran, dass John und der Gerechte das Haus auf dem normalen Weg verlassen würden. Dafür war Raniel einfach zu stark. Ihre Neugierde hatte Glenda nicht verloren.
»Sei’s drum«, sagte sie und machte sich auf den Weg zur Wohnungstür. Sie lief durch den kleinen Flur, dann stand sie vor der Tür, die sie behutsam öffnete.
Beim ersten Hinausschauen sah sie zu wenig. Sie öffnete die Tür weiter. Ihr Blick ging nach rechts, denn dort mussten sie hergehen, um den Lift zu erreichen.
Sie irrte sich nicht. Glenda schaute auf die Rücken der beiden so unterschiedlichen Männer. Bei jedem Schritt bewegte sich auch der Mantel des Gerechten. Er trug ihn selbst bei diesem warmen Wetter. Was normale Menschen störte, schien ihm nichts auszumachen.
Glenda wollte warten, bis beide im Lift verschwunden waren. Vielleicht drehte sich John noch mal um, weil er ahnte, dass sie ihm gefolgt war. Ein letztes Winken hätte ihr gut getan.
Dazu sollte es nicht kommen, denn plötzlich geschah etwas völlig anderes, womit sie nicht gerechnet hatte.
Raniel fasste nach John Sinclair’s linker Hand. Er hielt sie fest, als die beiden die nächsten Schritte gingen. Den Lift hatten sie noch nicht erreicht, als etwas passierte, das Glenda ins Staunen brachte.
Die beiden Gestalten verschwammen vor ihren Blicken. Im ersten Moment dachte sie, dass es an ihren Augen läge, aber das traf nicht zu. Sie schaute schon normal und klar wie immer.
Sie bemerkte nur, dass sich die Gestalten noch weiter auflösten. Sie gingen, wurden schwächer, und Sekunden später war nur noch ein leichtes Nachflimmern zu sehen, mehr nicht.
Beide hatten die normalen Grenzen dieser Welt überschritten und befanden sich auf dem Weg – ja, wohin...?
Glenda Perkins war nicht in der Lage, eine Antwort auf diese Frage zu geben. Sie blickte starr nach vorn, aber sehen konnte sie nichts. Und die beiden kehrten auch nicht wieder zurück.
Was sie mit ihren eigenen Augen gesehen hatte, das hing ihr auch jetzt noch nach, denn sie war kaum in der Lage, sich zu bewegen. Sie stand vor der Tür, starrte ins Leere und registrierte kaum, dass die Liftkabine die Etage erreichte und sich die Tür öffnete. Erst als sie die Stimmen hörte und auch das leise Lachen dazwischen, tauchte sie wieder ein in die Realität.
Zwei Menschen kamen ihr entgegen. Sie wohnten hier im Haus, sogar in der Wohnung neben John Sinclair, für Glenda waren sie im Moment Fremde, so zumindest schaute sie die beiden an.
Und sie blieben stehen. Ebenfalls überrascht.
»Spinne ich?«, flüsterte Shao.
»Nein«, sagte Suko, »dann würde ich auch
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