Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)
waren wir gleichauf.
Außer mir gab es am OLG nur eine andere Richterin. Mir war klar, dass mir dadurch eine besondere Verantwortung zufiel: Hätte ich Fehler gemacht oder wäre aus anderen Gründen gescheitert, so hätten nachfolgende Frauen es noch schwerer gehabt. Zum Glück bin ich nicht derart strukturiert, dass ich über so etwas ständig nachdenke. Ich nahm mir vor: Streng dich mal ordentlich an. Und das war’s.
Dass meine Ehe nicht zu retten war, wollte ich lange nicht wahrhaben. So handelte ich leider viel zu spät. Im März 1973 zog ich aus und nahm die beiden Mädchen mit. Rolf kam später nach.
Zwei Monate nach meinem Auszug wurde unsere Ehe geschieden. Nach dem alten Scheidungsrecht ging das so schnell. Zuerst wurde die Ehe aufgelöst, danach wurden die sogenannten Scheidungsfolgen gesondert geregelt. Es gab einen erbitterten Rosenkrieg. Mein geschiedener Mann weigerte sich, eine akzeptable Regelung in Bezug auf das gemeinsame Haus zu treffen. Er verweigerte auch den Unterhalt für die Kinder, obwohl er sie so liebte. Die Sache ging bis zum Oberlandesgericht nach Schleswig. Für mich verlangte ich selbstverständlich keinen Unterhalt, ich sorgte gern für mich selbst.
Jeden Stein, den mein Exmann finden konnte, legte er mir in den Weg. Ich blieb bei meiner Überzeugung: Gegangen zu sein war nicht mein Fehler, es war unerlässlich gewesen. Mein Fehler war, dass ich zu lange gewartet hatte. Lange bevor die Ehe geschieden wurde, hatte ich aufgehört, sie zu führen. Ich bin mitgelaufen in der Ehe, aber ich habe am Leben meines Mannes nicht mehr teilgenommen. Ich war unzufrieden, aber ich habe die Konsequenzen nicht gezogen. Das habe ich mir häufig vorgeworfen.
Wenn man einen inneren Ablösungsprozess nicht auch in die Tat umsetzt, kann man viele Gründe dafür nennen: die gemeinsamen Kinder, das Haus, den Garten – das ganze Alltagsleben, das man sich als Ehepaar aufgebaut hat. Ein guter Freund und Richterkollege, der mir dabei half, meine Trennung vorzubereiten und den neuen Haushalt einzurichten, sagte zu mir: »Wenn Horst Peschel infolge der Scheidung etwas passiert, nimmt kein Mensch mehr ein Stück Brot von dir.« Das klang nicht nett, aber es war realistisch. Tatsächlich musste ich auch Angst vor den beruflichen Konsequenzen haben, zusätzlich zu den allgemeinen sozialen Folgen. Eine Scheidung sahen viele Menschen damals noch als etwas Beschämendes an – vor allem für die geschiedene Frau.
Doch so viele und so scheinbar gute Erklärungen man sich für die Fortsetzung einer maroden Ehe zurechtlegen kann: Man darf ihnen kein Gewicht geben. Wer seine Ehe innerlich beendet, ist verpflichtet, dem Partner reinen Wein einzuschenken. Hätte ich es getan, hätte ich meinem Mann und mir unglückliche Jahre ersparen können.
So etwas ist mir in meinem Berufsleben nie passiert. Wenn mir im Beruf etwas Grundsätzliches nicht entsprach, handelte ich couragiert, sprach Klartext und sorgte dafür, dass die Situation sich änderte. Im Persönlichen bin ich nicht so zielsicher ; vielleicht auch nicht so mutig. Möglich, dass ich Angst vor der Auseinandersetzung, der Reaktion meines Mannes hatte. Ich könnte viele Beweggründe nennen. Dass ich so lange gezögert habe, war trotzdem nicht in Ordnung.
Mein geschiedener Mann heiratete schnell wieder. Er fand eine sehr sympathische, herzliche Frau, jünger als ich, zu der ich bis heute netten Kontakt pflege. Es hätte nicht besser kommen können. Ich war heilfroh, dass Horst an unserer Trennung nicht zugrunde ging. Mit seiner dritten Frau bekam er noch ein Kind, er hatte wieder eine Familie. Meine Kinder besuchten ihren Vater und ihre Stiefmutter regelmäßig, sie mochten Gisela, auch sie sind immer noch in Kontakt mit ihr.
Nach der Scheidung kam mein geschiedener Mann auf die Idee, mir den Namen Peschel verbieten zu wollen. Nach damaligem Eherecht hatte der Mann – nur der Mann – die Möglichkeit, der Frau nach der Scheidung im Rahmen eines Gerichtsverfahrens das Führen des Ehenamens zu untersagen. Meine drei Kinder trugen diesen Namen, ich selbst hatte über zehn Jahre unter dem Namen Peschel als Richterin gearbeitet. Ich legte zwar nach der Scheidung keinen Wert auf die Beibehaltung des Namens, aber wegen meiner Kinder kam eine Wiederannahme meines Mädchennamens Gutzeit nicht in Betracht. Deshalb wehrte ich mich gegen sein Ansinnen. Das Gesetz, auf das er sich berief, war eindeutig verfassungswidrig.
Wenn nötig, wäre ich bis vor das
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