Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)
Bundesverfassungsgericht gegangen, um meinen Namen zu behalten. Doch der Antrag des Herrn Peschel wurde abgewiesen, und er ging nicht in die Beschwerde. Gleich im Anschluss an diesen Vorgang hängte ich meinen Mädchennamen Gutzeit an. Ihn voranzustellen, also Gutzeit-Peschel, war damals nicht möglich. Wer mich als Frau Peschel kannte, konnte mich nun als Frau Peschel-Gutzeit wiederfinden. Es gab keine Komplikationen aufgrund unterschiedlicher Namen von Mutter und Kindern. Und man brachte mich nicht mehr automatisch mit meinem geschiedenen Mann in Verbindung.
Er wurde lange vor Erreichen des Rentenalters pensioniert und starb 1984 an seinem vierten Herzinfarkt.
Geheiratet habe ich nie wieder. Ein Grund dafür war, dass ich keine unglücklichen Ehen sammeln wollte. Eine durch den Tod beendete Ehe ist ein schlimmes Schicksal, eine geschiedene Ehe ist ein privater Konkurs. Außerdem: Eine Frau mit über vierzig Jahren und drei Kindern ist nicht gerade das, wonach heiratswillige Männer sich sehnen. Das kann ich gut verstehen. Ein Vorsitzender am OLG sagte nach meiner Scheidung zu mir: »Frau Peschel, das mit der Heirat wird sowieso nichts mehr bei Ihnen. Sie sind viel zu selbständig.«
»Aha, eine Frau kann also nur heiraten, wenn sie unselbständig ist. Als Selbständige wird sie nicht mehr gewollt«, konterte ich.
»Nein! So habe ich das nicht gemeint!«
»Doch, genau so haben Sie es gemeint.«
Vielleicht stimmt es auch. Und wer sich allein im Leben eingerichtet hat – beruflich, finanziell, psychisch, praktisch –, der überlegt sich vielleicht dreimal, ob er – oder sie – das Ganze noch einmal anders aufbaut.
Nach der Scheidung habe ich Partner gehabt, zum Teil waren es sehr langjährige Beziehungen. Aber so erfolgreich und glücklich wie im Beruf bin ich privat längst nicht.
Der Rabenmutter-Mythos
Die Frau, die kürzlich bei mir Rat suchte, hatte ein Studium abgeschlossen und eine Dissertation begonnen. Dann hatte sie geheiratet – und ihre Studien abgebrochen, als das erste Kind geboren wurde. Das zweite Kind kam, sie blieb zu Hause. Ihr Mann machte Karriere, er verdiente ausreichend Geld für die Familie. Sie war stolz auf ihren Mann, hielt ihm den Rücken frei, kümmerte sich um die Kinder und den Haushalt, gelegentlich begleitete sie ihn zu Abendveranstaltungen seiner Branche. Berufstätig war sie nie. Als die Frau in meiner Kanzlei auftauchte, war sie Ende vierzig. »Mein Mann hat mich verlassen, was soll ich jetzt tun?«, fragte sie völlig verzweifelt. »Ich habe zwei Jahrzehnte nur für die Familie gelebt, jetzt bin ich nichts mehr, ein Niemand! Ich habe kein Geld, ein Kind ist aus dem Haus, das zweite wird bald ausziehen. Dann bin ich ganz allein, niemand braucht mich mehr. Wie soll es bloß weitergehen mit mir?«
Dies ist eine Situation, die ich in meinem Alltag als Rechtsanwältin immer wieder erlebe. Oft befinden sich gut ausgebildete Frauen in dieser Situation. Ich rate ihnen dann, sich schnell eine Arbeit zu suchen. Ohne Berufserfahrung ist das nicht einfach. Aber diese Frauen können nicht darauf bauen, dass ihr Mann beziehungsweise ihr zukünftiger Geschiedener ihnen bis an ihr Lebensende einen guten Unterhalt zahlt. Sie brauchen Arbeit, um eigenes Geld zu verdienen. Außerdem erfüllt Arbeit viele weitere Funktionen, nicht nur für Frauen in der beschriebenen Situation. Wer arbeiten geht, hat eine Aufgabe, die ihm Zufriedenheit und Anerkennung verschaffen kann. Arbeit bringt eine Struktur in den Alltag ; sie ermöglicht der Arbeitenden, Neues zu sehen, zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Außerdem sehr wichtig: Wer arbeitet, nimmt am sozialen Leben teil.
Bei einer anderen Mandantin von mir sind die Vorzeichen etwas anders, doch die Konsequenz ist die gleiche: Die Frau hat vier Kinder im Schulalter. Bevor sie heiratete und Mutter wurde, erlernte sie einen qualifizierten Beruf und übte ihn eine Zeit lang aus. Jetzt ist sie unzufrieden in der Ehe, und sie überlegt, mit den Kindern auszuziehen, denn es ist nicht zu erwarten, dass der Mann geht. Ich habe sie bestärkt – wenn sie keine Hoffnung mehr für ihre Ehe sieht, sollte sie zu neuen Ufern aufbrechen. »Das bedeutet, dass Sie sich eigene Ziele und Wegmarken setzen müssen«, riet ich ihr. »Zuerst werden Sie sich eine Teilzeitarbeit in Ihrem erlernten Beruf suchen.«
»Ja«, antwortete sie, »das möchte ich schon lange, aber mein Mann will nicht, dass ich arbeite. Er sagt, ich soll zu Hause bleiben und mich um die
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