Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)
Kinder kümmern.«
»Es geht jetzt nicht darum, was Ihr Mann will. Es geht darum, dass Sie sich selbst ernähren können.«
In einer Ehe, die gut funktioniert, würde ich der Frau ebenso zu einer Teilzeittätigkeit raten. Was hält sie zu Hause, wenn ihre Kinder vormittags in der Schule sind? Dort bekommt sie keinerlei Anregung, keinerlei Ansprache – wertvolle Stunden verstreichen ungenutzt. Auch für sie wird irgendwann die Zeit kommen, da die Kinder ein eigenständiges Leben führen, das ist zumindest sehr zu hoffen. Dann könnte die Frau die Teilzeit– zur Vollzeittätigkeit ausbauen. Für die Berufstätigkeit sprechen auch bei ihr neben den wirtschaftlichen Gründen die Argumente der Lebensgestaltung, der Persönlichkeitsentwicklung und der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Nicht zu vergessen zwei weitere Argumente: Jeder Mensch kann berufs unfähig oder arbeitslos werden. Wenn das einem männlichen Familienernährer passiert und er eine Frau hat, die im Berufsleben steht, kann sie seine Rolle übernehmen und die wirtschaftliche Familienkatastrophe abwenden.
Hätte ich, als meine Kinder klein waren, die Möglichkeit gehabt, Teilzeit zu arbeiten, so hätte ich sie gern wahrgenommen. Als meine beiden älteren Kinder auf die Welt kamen, gab es die Möglichkeit jedoch noch nicht. Auch eine länger als acht Wochen andauernde Dienstbefreiung nach der Geburt eines Kindes war nicht vorgesehen. Um in gesundem Zustand monatelang zu Hause zu bleiben und mich allein den Kindern zu widmen, hätte ich meinen Beruf komplett aufgeben müssen. Das Gesetz zur Einführung von Teilzeitarbeit und Familienurlaub für Beamtinnen und Richterinnen trat erst 1968 in Kraft, im Jahr nach der Geburt meines zweiten Kindes. Da ich selbst dieses Gesetz initiiert und durchgesetzt hatte, wollte ich den Weg, den es mir nach Andreas Geburt 1970 eröffnete, nicht gehen. Denn einer meiner Grundsätze lautet: Gesellschaftliche und rechtliche Änderungen, die ich mit veranlasst habe, mache ich mir möglichst nicht selbst zunutze. So bleibt deutlich, dass ich mich zum Nutzen der Gesellschaft für die Änderungen eingesetzt habe und nicht zu meinem persönlichen Vorteil.
Wenn heute eine Frau ein halbes oder vielleicht auch ein ganzes Jahr nach der Geburt eines Kindes zu Hause bleibt und anschließend nur 25 oder 30 Stunden wöchentlich arbeitet, kann ich das nachvollziehen. Einen längeren Familienurlaub als ein Jahr halte ich hingegen für problematisch. Wer in seinen Beruf zurückkehren möchte, muss die Verbindung dazu halten. Nach über einem Jahr, schätze ich, geht die Verbindung in vielen Berufen allmählich verloren. Was den zeitlichen Umfang der Erwerbstätigkeit einer Mutter oder eines Vaters angeht – zwischenzeitlich haben selbstverständlich auch Männer ein Anrecht auf Teilzeitarbeit –, ist sicher der finanzielle Bedarf ein Kriterium.
Handelt es sich um eine Familie, in der ein Elternteil oder beide einer hochdotierten Tätigkeit nachgehen, so müssen meiner Meinung nach nicht beide eine hohe Anzahl an Wochenstunden arbeiten. Ist die Familie auch mit weniger Arbeit gut versorgt, könnte ein Elternteil oder können beide ihre Stundenanzahl reduzieren. In dieser Hinsicht würde ich pragmatisch entscheiden, nicht nach starren Prinzipien. Ich kenne Richterinnen, die zugunsten der Kinderbetreuung fünfzehn Jahre in Teilzeit arbeiteten, währenddessen befördert wurden und später wieder anfingen, die volle Stundenzahl zu leisten. Sie lebten in Partnerschaften mit Männern, die ausreichend verdienten. Alles hat bei ihnen gut funktioniert: die Familienfinanzierung, die Karrieren beider Elternteile und die Erziehung der Kinder.
Nach meiner Ehescheidung arbeitete ich weit mehr als 40 Stunden in der Woche. Da mein geschiedener Mann in der ersten Zeit keinen Unterhalt für die Kinder zahlte, musste ich zusätzlich zu meiner Vollzeitbeschäftigung als Richterin am Oberlandesgericht eine Nebentätigkeit annehmen: Ich arbeitete als Prüferin für beide juristische Staatsexamen. Von etwa hundert Prüfern war ich die einzige Prüferin. Die Briefe, die ich im Rahmen meiner Prüfertätigkeit erhielt, begannen immer mit der Anrede: »Sehr geehrte Frau Peschel-Gutzeit, sehr geehrte Herren«.
Meine Aufgaben als Prüferin waren die Beurteilung von Hausarbeiten, die Korrektur von Examensklausuren und die Abnahme mündlicher Prüfungen. Das alles waren interessante, für mich aber auch anstrengende Aufgaben. Ich stand morgens um fünf Uhr auf
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