Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)
Hausfrau. Aufgrund des Beckenbruchs konnte ich mich eine Zeit lang kaum rühren. Horst versorgte unseren Sohn, schmiss den Haushalt, ich konnte mich voll und ganz auf ihn verlassen. Auch später, nachdem die Mädchen geboren waren, kümmerte mein Mann sich rührend um alle seine Kinder. Er war gern Vater, er war ein guter, fürsorglicher Vater und Ehemann. – Bis er sehr krank wurde.
So bald wie möglich kehrte ich nach Rolfs Geburt ans Gericht zurück. Zu Hause hatten wir ein »Dienstmädchen«, wie man sie damals noch nannte, heute würde man Haushaltshilfe sagen. Sie hieß Erika, kam von einem Bauernhof und wohnte bei uns in ihrem eigenen Zimmer. Sie war ein herzliches und fleißiges Mädchen, auch mit Rolf ging sie lieb und geschickt um. Bis unsere Kinder groß waren, haben wir immer junge Frauen bei uns gehabt, die Haushalt und Kinder versorgten. Als 1967 unsere erste Tochter geboren wurde und 1970 Andrea, konnte ich wie geplant nach acht Wochen wieder arbeiten. Das ging nur, weil zu Hause alles gut organisiert war.
Mein Mann fuhr morgens früh ans Gericht, kam oft schon mittags zurück und brachte sich Akten mit. Die bearbeitete er zwar selten, aber er nahm es sich immer wieder vor. Trotzdem schaffte er seine Arbeit, denn er war intelligent, arbeitete schnell und hatte ein gutes Judiz, also ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl. Nur seine Aktenordner, mit denen war er eigen, er fuhr sie zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein spazieren. Ich fand das unsinnig und zog es vor, meinen Schreibtisch im Gericht zu nutzen. Ich wusste, ich würde zu Hause nicht zum Arbeiten kommen, denn kaum betrat ich das Haus, forderten die Kinder meine Aufmerksamkeit. Morgens fuhr ich später zur Arbeit als mein Mann, vorher regelte ich, was im Haushalt zu tun war. Nachmittags kümmerte mein Mann sich zusammen mit der jeweiligen Kinderpflegerin um die Kinder. Auf dem Rückweg von der Arbeit fuhr ich einkaufen, kam zwischen 17 und 18 Uhr nach Hause, und die ganze Familie aß zusammen zu Abend.
Einmal hatten wir ein Au-pair-Mädchen aus Österreich, über sie sprechen die Kinder bis heute, weil sie so wunderbar kochte. Marillenknödel, Kaiserschmarren und derlei mehr – süße Speisen, die Kinder gern mögen.
Mein Mann und ich verdienten als Richter am Landgericht beide nicht sehr viel, zudem zahlte mein Mann seiner geschiedenen Frau einen guten Unterhalt, was ich befürwortete. Aber wir mussten rechnen, um mit drei Kindern und unserem neuen Haus finanziell hinzukommen. Ich erfuhr, dass es in der Nähe eine Schule gab, in der Kinderpflegerinnen und Hauswirtschafterinnen ausgebildet wurden. Die Ausbildung bestand aus einem eineinhalbjährigen Schulbesuch plus zwei Jahren Praktikum. Als Familie mit mindestens drei Kindern konnte man Praktikantinnen aufnehmen, die man selbstverständlich bezahlen musste, nur verdienten sie weniger als fertig ausgebildete Fachkräfte. Der Haken an der Sache: Man brauchte eine »Ausbildungsbefähigung«. Die hatten weder mein Mann noch ich. So ging ich zu der Schulleiterin und fragte, was wir machen könnten.
»Ganz einfach, machen Sie doch eine Ausbildung«, schlug die Schulleiterin vor. Sie war sehr nett und wollte mir wirklich helfen.
»›Einfach‹ hört sich gut an. Aber was meinen Sie genau?«
»Sie können zum Beispiel Meisterhausfrau lernen.«
Meisterhausfrau? Ich?, dachte ich im Stillen. »Aha, gut, Meisterhausfrau!«, sagte ich. »Erklären Sie mir doch bitte genauer, was für eine Ausbildung das ist.«
»Es gibt hier eine Hauswirtschaftsschule, an der man in Abendkursen die Qualifikation einer Meisterhausfrau erlangt. Ich würde mich dafür einsetzen, dass Sie schon während Ihrer Ausbildung selbst ausbilden dürfen«, bot die Schulleiterin an.
So habe ich es dann gemacht. Drei Jahre lang ging ich zweimal wöchentlich abends zur Schule. Die Ausbildung war in erster Linie für Frauen gedacht, die als Hauswirtschaftsleiterinnen etwa in Kinderheimen oder Krankenhäusern arbeiten wollten. Es ging darum, die professionelle Haushaltsführung zu erlernen. Dazu gehörten Lerninhalte wie Wäsche– und Möbelpflege, und selbstverständlich lernte man sehr gut kochen. Es entsprach meinem Bedürfnis nach Struktur, die Hausarbeiten, die man ja oft »irgendwie« und nebenher erledigt, genauer anzuschauen und effektiver zu gestalten. Auch betriebswirtschaftliche Aspekte spielten eine Rolle.
Aus jener Zeit stammt meine Gewohnheit, jeden Cent, den ich ausgebe, aufzuschreiben und jeden Monat,
Weitere Kostenlose Bücher