Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)
Widerstands, der Niederlage und auch der persönlichen Nachteile eingehen.
Wer die Zeiten, in denen ich die »Lex Peschel« durchsetzte, nicht erlebt hat, kann sich vielleicht nicht vorstellen, welche Bedeutung das Gesetz hatte. Erst nach seiner Einführung konnten zum Beispiel auch Lehrerinnen in Familienurlaub gehen oder Teilzeit arbeiten – heute gibt es nichts Normaleres als eine Lehrerin mit mehreren Kindern, die eine Zweidrittelstelle hat. Später wurde das Gesetz so erweitert, dass auch männliche Beamte das Recht auf Teilzeitarbeit und Familienurlaub erhielten. In der Folge kam der gesetzliche Anspruch auf Teilzeitarbeit für alle Angestellten in der Bundesrepublik, auch in Wirtschaftsunternehmen. Auch der gesetzlich gewährte Erziehungsurlaub beziehungsweise die Elternzeit, die das Gesetz heute jeder Mutter und jedem Vater in Deutschland ermöglicht, steht in Zusammenhang mit der »Lex Peschel«.
Ich war Anfang dreißig, eine kleine Landrichterin, eine in der Öffentlichkeit völlig unbekannte Person, als ich begann, mich für die Lösung dieses drängenden Problems, die Änderung des Beamtenrechts, zu engagieren. Dass ich unser Anliegen trotz meiner Unerfahrenheit gegen alle Widerstände durchsetzen konnte, war eines der Schlüsselerlebnisse in meinem Leben. Von da an wusste ich: Wenn ich wirklich überzeugt bin von einer Sache und fest entschlossen, sie durchzusetzen, dann kann ich es schaffen.
Zugleich lernte ich, auf welche Weise ich ein solches Anliegen durchsetzen kann, welcher Weg zu mir passt: der Weg der Sachlichkeit, der Argumentation, Ruhe und Verbindlichkeit. Wie jeder Mensch werde auch ich bisweilen wütend und ungeduldig. Aber ich weiß, dass ich mit freundlicher Beharrlichkeit mehr erreiche. Möchte ich eine große gesellschaftliche Änderung durchsetzen oder negative Entwicklungen verhindern, dann sammle ich so viele und fundierte Informationen wie möglich: juristische, historische, soziologische, statistische und so weiter – darauf baue ich meine Argumentation auf. Ich halte Vorträge, nehme an Diskussionen teil, suche Verbündete, schreibe Gesetzentwürfe oder beteilige mich daran, suche Wege, sie in den Bundestag einzubringen. Der Deutsche Juristinnenbund arbeitet seit den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erfolgreich auf diese Art.
Faszinierend finde ich an dieser Vereinigung auch, dass dort so unterschiedliche Frauen zusammenarbeiten. Studentinnen und Professorinnen, Amtsrichterinnen und Richterinnen des Bundesverfassungsgerichts, Juristinnen aus der Wirtschaft, Rechtsanwältinnen, Notarinnen und andere. Heute hat der Juristinnenbund etwa 2800 Mitglieder.
1975 wurde ich stellvertretende Vorsitzende, von 1977 bis 1981 war ich Erste Vorsitzende des Deutschen Juristinnenbundes, danach zwei Jahre lang Past President. Wie bereits erwähnt, leitete ich rund zwanzig Jahre lang die Familienrechtskommission des Juristinnenbundes, außerdem zeitweilig die Kommissionen Steuerrecht, Rentenrecht, Jugendhilferecht und Beamtenrecht. Aus meiner Funktion beim Juristinnenbund heraus wurde ich beispielsweise als Sachverständige vor das Bundesverfassungsgericht geladen, als es um die steuerliche Anerkennung von Kinderbetreuungskosten ging. Diese Anerkennung war bis dahin erst ab dem zweiten Kind möglich, mein Rechtsgutachten trug dazu bei, dass die Regelung geändert wurde.
Mit dem Juristinnenbund haben wir uns erfolgreich für eine Änderung des Staatsangehörigkeitsrechtes für Kinder eingesetzt mit dem Ziel, dass deutsche Mütter ihre Staatsangehörigkeit an ihre Kinder weitergeben können. Bis dahin erhielten Kinder automatisch die Staatsangehörigkeit des Vaters. Wenn der Vater ein amerikanischer Soldat war, der nach kurzer Zeit Mutter und Kind in Deutschland zurückließ, war und blieb das Kind trotzdem US-Bürger. War der Vater Birmane, Iraner oder Angolaner, so war auch das in Deutschland geborene und lebende Kind Birmane, Iraner oder Angolaner. Wenn der Vater das Kind nicht anerkannte, war es staatenlos – ein absurder Zustand.
An vielen Stellen haben wir den Finger in die Wunde gelegt, zum Beispiel auch beim Thema Vergewaltigung in der Ehe, die erst seit 1997 strafbar ist, oder beim Namensrecht. Es gab fünf Änderungen des Namensrechts in Folge, da viele Abgeordnete des Bundestags nicht verstanden, dass eine Frau ihren Namen behalten möchte, wenn sie heiratet. Erst seit wenigen Jahren herrscht in Deutschland die freie Namenswahl: Jeder Ehepartner kann seinen eigenen
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