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Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Titel: Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lore Maria Peschel-Gutzeit
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Familiennamen behalten, beide können den Geburtsnamen des Mannes oder der Frau führen oder einen Doppelnamen in beliebiger Reihenfolge.

    Oft bin ich gefragt worden: »Wären Sie lieber als Mann auf die Welt gekommen?« Nein, das wäre ich ganz bestimmt nicht. Ich bin sehr gerne Frau. Eine Frau hat viel mehr Möglichkeiten, sie kann ein interessanteres Leben führen, nicht nur weil sie Kinder gebären kann. Frauen haben oder entwickeln vielfältige Talente, um Familie, Beruf und Freizeitinteressen zu koordinieren, sie sind begabte Organisatorinnen und häufig auf mehreren Gebieten gleichzeitig tätig. Obwohl ich Männer wirklich gern mag und mit vielen Männern befreundet bin, finde ich ihr Leben oft eindimensional und sehr überschaubar. Sie haben ihren Beruf, vielleicht noch den Golfclub oder andere Vereine, in der Freizeit die Familie, das war’s.
    In meinem Leben gab es keinen Moment, in dem ich lieber ein Mann gewesen wäre. Dass ich mich für Frauenrechte ein setze, liegt an meinem Gerechtigkeitsbedürfnis, ich möchte, dass die Menschen in Gerechtigkeit zusammenleben. Aber ich gehe nicht auf die Straße für Frauenrechte, ich gehe nicht in Talkshows, um mit provokanten Thesen Aufsehen zu erregen, ich bin nie eine »Mein Bauch gehört mir«-Feministin gewesen. Als die Feministinnen unter Führung von Alice Schwarzer in den siebziger Jahren unter diesem Motto gegen den Paragraphen 218 des Strafgesetzbuches protestierten, den »Abtreibungsparagraphen«, habe ich ihr Anliegen selbstverständlich unterstützt. Eine Frau muss selbst und allein darüber entscheiden dürfen, ob sie eine Schwangerschaft beendet oder nicht. Das ist eine Frage der Autonomie und Gerechtigkeit. Doch die Methoden der »Mein Bauch gehört mir«-Bewegung und die radikalfeministischen Weltanschauungen, die jene Frauen zum Teil vertraten, waren nicht die meinen.
    Wenn Frauen frech und provokant auftreten, können sie damit etwas anstoßen, die Menschen zum Nachdenken bringen, auch Empörung hervorrufen, das alles ist wichtig. Meiner Erfahrung nach bewirkt solch ein Auftreten jedoch keine großen Umwälzungen und keine langfristigen Verbesserungen. Dafür ist ein sehr langer Atem nötig, der Marsch durch die Instanzen. Außerdem sind Verbündete wichtig, vor allem verbündete Männer.
    Alice Schwarzer und ich kennen uns seit langem, und sie kennt meine Meinung: Sie und »ihre« Frauenbewegung stehen auf den Schultern früherer Frauengenerationen. Schon lange vor ihnen gab es emanzipierte Frauen, die genau dieselben Ziele verfolgten: Gleichberechtigung, Gleichstellung, das Ende jeglicher Diskriminierung. Der Deutsche Juristinnen-Verein, die Vorgängerorganisation des Deutschen Juristinnenbunds, wurde 1914 gegründet und setzte die Zulassung von Frauen zu juristischen Berufen durch. Es gab viele andere, zum Teil deutlich ältere Frauenvereine, die beispielsweise das Frauenwahlrecht 1918 erkämpften. Alice Schwarzer erkennt das an, sie sagt: »Ohne eure Vorarbeit wären wir nicht da, wo wir heute sind.«
    Gelegentlich berate ich Alice Schwarzer juristisch, zweimal arbeiteten wir eng zusammen. Das erste Mal 1978, als ich sie bei ihrer Diskriminierungsklage gegen den Stern unterstützte – Schwarzer wollte die Abbildung pornographischer Titelbilder auf Zeitschriften unterbinden lassen. Da ich damals Richterin war, konnte ich weder als Anwältin noch als Mitklägerin auftreten. Doch im Hintergrund beteiligte ich mich intensiv an dem Prozess. Unsere zweite Zusammenarbeit war die sogenannte PorNO-Kampagne. Frau Schwarzer rief mich 1987 an und fragte, ob ich ihr helfen könne, etwas gegen die um sich greifende »Pornographisierung«, wie sie es nannte, zu unternehmen. Insbesondere ging es um pornographische Abbildungen in Printmedien. Zeitungen und Zeitschriften waren damals weitaus dominanter als heute, elektronische Medien gab es noch nicht.
    »Strafrechtlich ist die Sache geregelt«, erklärte ich Alice Schwarzer. »Es gibt ausführliche Pornographie-Paragraphen, die bestimmen, was unter Strafe gestellt ist und was nicht.«
    »Darum geht es mir nicht. Was hilft es, wenn jemand wegen eines Pornos ins Gefängnis kommt? Ich will, dass die Pornographisierung aufhört. Das geht nur, wenn Mädchen und Frauen sich effektiv dagegen wehren können, dass sie andauernd mit widerlichen Bildern konfrontiert sind.«
    Das leuchtete mir ein. Es ging um eine zivilrechtliche Lösung, nämlich um die Möglichkeit, auf Unterlassung zu klagen und Schadenersatz zu

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