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Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Titel: Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lore Maria Peschel-Gutzeit
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verheiratet ist oder ledig.
    Bevor wir zusammenarbeiteten, hielt Alice Schwarzer mich für eine zutiefst konservative Frau. Ich gehörte noch keiner Partei an, und ich trug damals wie heute gern Seidenblusen, gern Geblümtes, gern zartrosa Jacken. Später merkte Frau Schwarzer, dass ich eine Art Wolf im Schafspelz bin. Schon lange sind wir nun befreundet.
    Eine andere bekannte Feministin nannte mich einmal »die Schleife« – weil ich oft Schluppenblusen trage, also Blusen mit einer großen Schleife am Kragen. »Die Schleife«, das war nicht nett gemeint – die Feministin wollte damit wohl andeuten, dass sie mich für altmodisch hielt, mich als emanzipierte Frau und Frauenrechtlerin nicht ernst nahm. Ich bedaure es, wenn intelligente Menschen ihre Mitmenschen in Schubladen einordnen. Besonders, wenn es aufgrund von Äußerlichkeiten geschieht.
    Manchmal können solche Vorurteile aber auch günstig für die Vorverurteilte sein. So wurde ich schon in den achtziger Jahren als Rednerin auf einen CDU-Parteitag eingeladen. Es ging um die Frage: In welcher Form sollen nichteheliche Väter an der elterlichen Sorge beteiligt werden? Das ist eines meiner großen Themen, mein Leben lang habe ich mich nicht nur für Frauenrechte eingesetzt, sondern insbesondere auch für Kinderrechte sowie für die Rechte der Väter. Unter anderem engagierte ich mich lange für die Änderung der Regelung, wonach die Sorgeberechtigung des nichtehelichen Vaters davon abhängig war, ob die Mutter zustimmte oder nicht, ohne dass die Mutter ihre Ablehnung begründen musste.
    Jetzt, nach Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts, wird das entsprechende Gesetz tatsächlich geändert. Künftig wird der Vater sich auch ohne Zustimmung der Mutter an der elterlichen Sorge für sein Kind beteiligen können. Strittig ist aber noch, wie das geschehen soll, automatisch mit der Geburt des Kindes oder nur auf Antrag des Vaters im Rahmen eines Gerichtsverfahrens. Ich habe viele Vorträge zu dem Thema gehalten und Aufsätze veröffentlicht. Im Jahr 2011 wurde ich erneut gebeten, meine Einschätzung darzulegen: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lud mich ein, zu referieren. Meiner Meinung nach sollte ein Vater die Möglichkeit haben, durch ein Gericht prüfen zu lassen, ob seine Mitsorge dem Kindeswohl dient oder nicht. Derzeit gibt es mehrere Gesetzentwürfe zu dieser Frage, das Ergebnis ist offen.

    Kleider machen Leute – an diesem Spruch ist viel Wahres. Ich bin froh, dass ich mich heute so elegant und weiblich kleiden kann, wie ich möchte, früher war das nicht möglich. Als ich 1959/60 in der Freiburger Kanzlei als Anwältin arbeitete, stellte sich mir die Kleidungsfrage noch nicht, denn ich war in Trauer, trug schwarze Kleider und Kostüme. Als Richterin in Hamburg begann ich langsam, mich wieder farbenfroher zu kleiden. Eines Tages bekam ich einen Anruf von einer älteren Kollegin – sie und eine andere Richterin waren in der Nazizeit emigriert und im Wege der Wiedergutmachung in die Justiz in Hamburg übernommen worden. Diese Kollegin erklärte mir, dass meine einzige junge Mit-Richterin sich unmöglich kleide. Sie trug ein ärmelloses Sommerkleid, das sei unseriös, und das gehe nicht bei der Justiz. Das solle ich der jungen Kollegin ausrichten.
    Ich war perplex, aber doch noch so geistesgegenwärtig, zu erwidern: »Und warum sagen Sie ihr das nicht selbst?« Aber ich hatte verstanden und kaufte mir graue Kostüme, die zwar nicht so maskulin geschnitten waren wie die Kleidung anderer Juristinnen, die aber in meinen Augen sehr freudlos wirkten. Es war eben eine Zeit, in der Frauen noch Mühe hatten, Anerkennung zu finden. Viele Männer nahmen eine Frau kaum zur Kenntnis, und manche der wenigen älteren Frauen, die in verantwortlicher Position arbeiteten, nahmen das weibliche Auftreten der jüngeren übel.
    Also erschien ich fortan in unauffälligen Kostümen zur Arbeit, um mich nicht unbeliebt zu machen. Es war unangenehm, derart herumzulaufen, aber es war auszuhalten. Mein Mann lachte oft, wenn ich morgens das Haus verließ, er fand meine Mausverkleidung sehr amüsant. Wenn ich abends nach Hause kam, tauschte ich immer als Erstes das graue Kostüm gegen schöne Kleidung. Im Laufe vieler Jahre und Jahrzehnte, als immer mehr Frauen in der Justiz arbeiteten, wurde es dann allmählich üblich, im Beruf erfreuliche, elegante, farbige Kleidung zu tragen.

    »Vertreten Sie eigentlich auch Männer?«

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