Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)
ich eine heiße Dusche, frisierte mich und zog ein Kleid an. Jeder Rallyetag schloss mit einem guten Abendessen, gutem Wein und angeregten Gesprächen. Alle Damen kleideten sich elegant, die Atmosphäre war festlich und vergnügt. Ich genoss jeden Rallyetag von dem Moment, in dem ich in den Wagen stieg, bis zum Absacker in der Nacht. In jenem Rahmen lernte ich eindrucksvolle Persönlichkeiten kennen wie die Unternehmerinnen Regine Sixt von der Sixt-Autovermietung und Heidi Hetzer, die einen großen Autohandel leitet und erfolgreich an internationalen Rallyes teilnahm. Auch sehr interessante und sympathische junge Frauen durfte ich beim Deutschen Damen Automobilclub kennenlernen.
Ursula und ich waren beide beruflich sehr ausgelastet und kamen manchmal schon mit letzter Kraft bei den Rallyes an. In der ersten Zeit bestand unsere Konkurrenz überwiegend aus ausgeruhten Hausfrauen, sodass die Startbedingungen ungleich waren. In den letzten Jahren stießen immer mehr junge, sportliche Frauen dazu. Sehr lustvolle Autofahrerinnen, voller Energie, mit viel Wissen, Geschick und dem nötigen Maß an Risikobereitschaft. Aufgaben, an denen wir uns mühsam abarbeiteten, erledigten manche junge Frauen mit links. »Kann es sein, dass wir hier jetzt die eldest stateswomen sind?«, fragte ich meine Freundin. »Ja, man kann den Eindruck gewinnen«, fand auch sie. Aber wir waren ohne Neid, wir freuten uns über die jungen Frauen, die alles so flott und forsch durchzogen. Gern übergaben wir ihnen den Stab und wünschten ihnen von Herzen viel Freude und Glück bei ihren weiteren Rallye-Abenteuern.
Wenn ich mich richtig erinnere, gewannen Ursula und ich zwei Rallyes. Selbstverständlich hätten wir es gern öfter geschafft.
Ich liebte die Herausforderung für Mensch und Karosse. Ob ich auf unbekanntem Terrain den richtigen Weg fand, in der Zeit blieb, ob ich mein Fahrzeug auch in Extremsituationen gut beherrschte – all das galt es stets aufs Neue unter Beweis zu stellen. Doch die eigentliche Herausforderung lag natürlich darin, den Sieg einzufahren. Ich hätte mich nicht auf den Weg gemacht, um durch die Landschaft zu gondeln und abends schön zu feiern – das hätte ich auch ohne Rallye haben können. Wenn ich an einem Wettbewerb teilnehme, will ich gewinnen.
Bevor ein Mensch sich Wettbewerb und Konkurrenz aussetzt, sollte er für sich die Frage beantworten: Will ich wirklich siegen – oder reicht es mir, dabei zu sein? Diese Erfahrung habe ich im Leben immer wieder gemacht. Ohne Ehrgeiz und Siegeswillen geht es nicht. Vielleicht ist das etwas, das manche Frauen noch besser lernen könnten: entschlossener und ehrgeiziger vorzugehen, wenn es um das Erreichen von Zielen und das Gewinnen von Wettbewerben geht. Andererseits wünsche ich Frauen, dass sie sich von einem Misserfolg nicht entmutigen lassen, sondern Kraft daraus schöpfen, sich angespornt fühlen. Auch ein tiefer Groll gegenüber den Bezwingern ist nicht erstrebenswert, er kostet nur zusätzliche Kraft. Wenn eine Frau doch einmal wütend ist, darf sie das sein, es ist ja menschlich. Nur sollte die Wut möglichst schnell wieder verfliegen. Es gibt das Klischee von Männern, die sich tagsüber aufs Bitterste bekämpfen und abends gemütlich ein paar Biere zusammen trinken. Dieses Klischee trifft nicht selten zu, und ich finde dieses Verhalten vernünftig. Die beiden Biertrinker nehmen ihre berufliche Konkurrenz offensichtlich nicht allzu persönlich.
Sei es im Privatleben, sei es im Beruf: Die meisten Siege und die meisten Niederlagen sollte man sportlich nehmen. Was geschehen ist, kann und muss man akzeptieren. Schließlich geht es ums Gewinnen, nicht ums blanke Überleben.
Als ich Justizsenatorin war, erlebte ich immer wieder, dass sich keine oder zu wenige Frauen bewarben, wenn hohe Positionen in der Justiz besetzt werden sollten – wie etwa in Hamburg das Amt des Generalstaatsanwaltes oder der Generalstaatsanwältin, das bundesweit zur Bewerbung ausgeschrieben wurde. »Und wo sind die Frauen?«, fragte ich meine Beamten, nachdem sie mir die Bewerbungen vorgelegt hatten. Wer mich kannte, wusste, was dann auf ihn zukam: Ich ließ meine Mitarbeiter ausschwärmen, um gezielt Frauen zur Bewerbung aufzufordern. Auch ich selbst führte Gespräche mit potenziellen Bewerberinnen – und hörte mehrfach eine Antwort, die mich verstörte: »Gut, ich bewerbe mich, wenn Sie mir zusichern, dass ich den Posten bekomme.« Anscheinend hatten sie Sinn und Ablauf eines
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