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Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Titel: Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lore Maria Peschel-Gutzeit
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Bewerbungsverfahrens missverstanden. Selbstverständlich sicherte ich ihnen nichts zu. Ich wollte sie nur einladen, am Wettbewerb teilzunehmen.
    Von manchen Bewerbern hörte ich: »Für mich ist das Bewerbungsverfahren wie eine Art Olympische Spiele. Dort versammeln sich die besten aller Länder. Vielleicht schneide ich gut ab, vielleicht reichen meine Kenntnisse und Fähigkeiten noch nicht an die der anderen heran. Ich bin gespannt.« Solche Menschen habe ich in ihrer Haltung bekräftigt. Ich sagte: »Richtig, dies ist eine sehr begehrte Position. Darauf bewerben sich auch Kollegen aus anderen Bundesländern. Vielleicht gibt es jemanden, der besser ist als alle Hamburger zusammen. Das macht die Sache aufregend – aber wir müssen uns deswegen überhaupt nicht verstecken.« Wer solch einen Wettbewerb wie ein packendes Turnier angeht, kann ihn – bei allem Ehrgeiz und Siegeswillen – ein bisschen lockerer angehen. Mit arger Verbissenheit und übertriebener Anspannung steht man sich eher selbst im Weg. Die Angst vor dem Scheitern ist fast immer unbegründet, denn bei den meisten Wettbewerben im Leben gibt es nichts zu verlieren und viel zu gewinnen. Wer sich das klarmacht und danach handelt, kann gelassener mitspielen.

    Entgegen allen Vorurteilen gibt es viele junge Frauen, die sehr gern, gut und sehr sicher Auto fahren. Vielen gefällt es auch, temporeich und sportlich unterwegs zu sein. Noch mehr Vorurteile besagen, dass ältere Damen unsicher fahren und mit ihrer Gemächlichkeit den Verkehrsfluss blockieren. Ich kenne viele Gegenbeispiele ; eines davon bin ich selbst. Fast alles im Alltag mache ich schnell und sofort, aber zugleich mit Sorgfalt. Auch beim Autofahren. So ergab es sich, dass ich sechzehn Jahre nach dem Ende meiner Rallyezeit, im Alter von fast siebzig Jahren, eine weitere Möglichkeit erhielt, mal so richtig schwungvoll aufzudrehen.
    Ein Autohändler bot mir an, den damals neuen VW Phaeton testzufahren. »Testfahrerin, ich?«, fragte ich ihn erstaunt. Wir kannten uns, da sich sein Geschäft in der Nähe meiner Kanzlei am Kurfürstendamm befindet. »Ja, sicher. Testen Sie, was in dem Wagen steckt. Sie haben mir doch erzählt, dass Sie gern sportlich fahren und früher an Rallyes teilgenommen haben. Jetzt dürfen Sie wieder in die Vollen gehen.«
    Damals, im Jahr 2002, war der Phaeton gerade neu auf dem Markt. Jeder, der etwas von Autos verstand, wusste, dass es ein gutes Auto war. Trotzdem lief der Verkauf nur schleppend. Der Wagen musste auf die Straße, und der Händler meinte, es sei eine gute Idee, ihn von einer Frau wie mir auf die Straße bringen zu lassen. Wegen der edlen Ausstattung, die Frauen anspricht, und wegen meiner Autosporterfahrungen.
    Mich faszinierte der Wagen, aber ich wusste auch, was er kostete: einen Betrag, für den man ein kleines Haus mit Garten bekommen hätte. Wenn ich den gegen einen Baum setze, werde ich meines Lebens nicht mehr froh, dachte ich. Der Händler erklärte, ich sei gegen alle Risiken versichert. »Falls mit dem Wagen etwas passieren sollte, trifft es Sie nicht. Auch Sie selbst sind versichert. Außerdem steht Ihnen ein Operator zur Verfügung, den Sie Tag und Nacht anrufen können, wenn etwas mit dem Wagen nicht in Ordnung ist.« Da ich den Gedanken, ein Auto wie dieses zu fahren, verführerisch fand, waren meine Bedenken recht leicht überwindbar. Ich ergriff die Gelegenheit beim Schopfe.
    »Fahren Sie den Wagen aus bis an die Grenzen – bis an seine Grenze und bis an Ihre«, forderte der Händler mich auf. So etwas muss man mir nicht zweimal sagen.
    Zuerst fuhr ich eher verhalten durch Berlin und kroch ganz behutsam mit dem großen Wagen in meine enge Tiefgarage. So lernte ich an mir selbst eine neue Seite kennen: die der eher vorsichtigen Fahrerin. Dann sagte ich mir: Ausfahren heißt, du musst Autobahn fahren, eine Strecke ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. An einem späten Nachmittag brauste ich los auf der A24, zuerst durch Brandenburg, wo die Höchstgrenze bei 130 Stundenkilometern liegt. In Mecklenburg dann konnte ich so schnell fahren, wie ich wollte. Theoretisch. In der Praxis war zu viel Verkehr. Jedes Mal, wenn ich kräftig aufs Gaspedal trat, musste ich sofort wieder bremsen, weil ein anderes Auto vor mir den Weg versperrte. Das war sinnlos. Ich kehrte um und fuhr spätabends noch einmal los.
    Dreihundertfünfzig! Ich glaubte es selbst nicht – und kann es bis heute nicht glauben. Aber der Tacho zeigte tatsächlich 350 Stundenkilometer ; ein

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