Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)
geringes Problem, wenn es über Wald– und Wiesenwege ging. Mehr als einmal lag ich unter der Karosse, stopfte Lecks in der Ölleitung notdürftig mit Kaugummi und Korken. Während der Rallyes war nur die Selbstreparatur zulässig.
Zu den Höhepunkten oder besser: Tiefpunkten unserer Rallyekarriere gehörte der Tag, an dem wir uns mit dem Roadster bei strömendem Regen auf einem schlammigen Waldweg festfuhren. Irgendwo im Gebirge, wir hatten vollkommen die Orientierung verloren. Ich gab Gas, bis der Motor heulte. Die Räder drehten durch, der Wagen bewegte sich keinen Zentimeter vor oder zurück, er sank nur tiefer ein. Ursel warf mir einen eiskalten Blick von der Seite zu. »Haben wir ein Abschleppseil?«, fragte ich sie. »Natürlich nicht. Einen Automatikwagen kannst du nicht abschleppen!« Das hatte ich vergessen. Was nun? Der Regen trommelte auf das Dach. Ich beschloss, Hilfe zu suchen, stieg aus, öffnete den Regenschirm und stakste in feiner Aufmachung den matschigen Weg zurück auf die Landstraße. Seit der Gründung des Clubs bis heute tragen alle Rallyeteilnehmerinnen einen dunkelblauen Blazer und das Halstuch mit dem Clublogo, einem weißen Viererkleeblatt. Selbstverständlich trug ich dazu einen schönen Rock und ebensolche Schuhe, das Gesamtbild musste stimmen.
Erschöpft und durchnässt erreichte ich ein Dorf. Es war Sonntag, die Straßen menschenleer. Ich überlegte gerade, ob ich irgendwo klingeln sollte, da hörte ich es hinter mir tuckern. Ein Bauer auf seinem Trecker rollte die Dorfstraße entlang. Ich hielt ihn an und rief ihm zu: »Guten Tag! Sie haben sicher bemerkt, dass es regnet. Was Sie allerdings noch nicht wissen, ist, dass Sie jetzt mit mir umkehren und in den Wald fahren!« Der Bauer sah mich verständnislos und etwas erschrocken an. »Da stecken wir mit einem Mercedes fest«, ergänzte ich. Mit einer Geste lud er mich ein, auf dem Beifahrersitz auf dem riesigen Kotflügel Platz zu nehmen. Als wir bei dem gestrandeten Roadster ankamen, saß Ursel darin wie versteinert. Aufmunternd rief ich ihr zu: »Gleich geht’s weiter, Ursel, der Trecker zieht uns raus!« Daraufhin sie: »Und womit? Wir haben doch immer noch kein Seil.« Wo sie recht hatte, hatte sie recht.
Ich stapfte zum zweiten Mal zur Landstraße. Nach ein paar Minuten kam ein Opel-Kombi vorbei. Ich stoppte ihn. Eine Frau saß am Steuer. Der Rest des Wageninneren war ein Blumenmeer – die Frau war Blumenhändlerin und auf dem Weg zu ihrem Stand am Friedhof. Ob sie vielleicht ein Abschleppseil besitze, das sie mir verkaufen könne, fragte ich sie. Sie wusste es nicht, willigte aber ein, nachzusehen. Wir luden Unmengen von Rosen, Lilien, Margeriten und Vergissmeinnicht aus dem Wagen. Es duftete herrlich. Und tatsächlich: Unter den Gewächsen kam ein Seil zum Vorschein, das mir die hilfsbereite Frau für 20 Mark überließ. Nachdem wir alle Blumen wieder eingeladen hatten, ging ich zurück in den Wald und präsentierte stolz meine Beute. Ursel schaute skeptisch. Der Bauer verband Trecker und Sportwagen, schwang sich zurück in sein Führerhaus und schleppte los.
Es war furchtbar. Der Wagen stellte sich quer, die Räder blockierten, der Schlamm spritzte in alle Richtungen, der Bauer fluchte, der Treckermotor heulte. Aber schließlich hatten wir es geschafft, der Wagen stand wieder auf der Landstraße. Dem Bauer gaben wir ein üppiges Trinkgeld und sahen ihn durch den Regen davonjuckeln.
Ich setzte mich hinter das Steuer, nass bis auf die Haut. Ursel hatte die letzten zwei Stunden auf dem Beifahrersitz verbracht und kaum einen Tropfen abbekommen. Noch immer brütete sie missmutig vor sich hin und schwieg. »Hast du wenigstens herausgefunden, wohin wir müssen?«, fragte ich sie. Wir hatten viel Zeit verloren, und es würde mehr als knapp werden, das Etappenziel innerhalb der Karenzzeit zu erreichen. »Sicher«, sagte Ursel trocken und gab Anweisung: »Links die Landstraße runter und nach dreieinhalb Kilometern abbiegen Richtung Süden.« Sie hielt mir die Karte vor die Nase. Darauf hatte sie eine Route eingetragen, die sich schlängelte wie ein Slalomparcours – es waren Serpentinen. Ich unterdrückte einen Fluch, startete den Motor und sagte mit ruhiger Stimme zu Ursel: »Halt dich gut fest.« Tatsächlich erreichten wir die Kontrolle – zwei Minuten vor Ablauf der Karenzzeit.
Als wir am Hotel vorfuhren, in dem sich die Rallyefahrerinnen trafen, war unser schlammverschmierter Wagen eine kleine Attraktion. Schnell nahm
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