Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)
Autofahrten erleben, ungewohnte Herausforderungen meistern, interessante Frauen kennenlernen: Das alles war ganz nach meinem Geschmack.
»Kann ich erst einmal allein kommen?«, fragte ich Elisabeth. »Vielleicht findet sich später eine Teampartnerin.« Noch hielt ich mich selbst nicht für überzeugt genug, um eine andere zu überzeugen.
»Nein, der Club nimmt nur Teams auf.«
Nun wollte ich keinen Rückzieher mehr machen. Ich telefonierte mit meiner Freundin Ursula, einer Zahnärztin, und lud sie ein, meine Rallye-Teampartnerin zu werden.
»Bist du verrückt? Ich bin eine ganz ungeübte Fahrerin und traue mich kaum, nach Hamburg zu fahren! Das kann nichts werden.«
»Ach, komm, Ursel, wir schaffen das schon.«
Sie wäre nicht meine gute Freundin gewesen, hätte sie nicht genauso wie ich Freude an großen Aufgaben und kleinen Verrücktheiten gehabt. Also schloss Ursula sich mir an. Gemeinsam machten wir uns mit dem Rallyesport vertraut, mit den Regeln, den Aufgaben, wir lasen Bücher darüber, fingen bei null an – und fuhren dann zehn Jahre lang mit dem größten Vergnügen gemeinsam Rallyes. Insgesamt nahmen wir an etwa vierzig Rallyes teil.
Beim ersten Clubtreffen, das wir besuchten, fuhr die Präsidentin des DDAC mit einem prächtigen roten Alfa Romeo vor. Auch die anderen Damen chauffierten aufsehenerregende Gefährte. Mein Wagen war ein VW Golf, praktisch und preiswert. Ursel verdiente als Zahnärztin mehr Geld und fuhr dementsprechend ein teureres Auto, einen Mercedes Roadster – ein Cabriolet mit Automatikgetriebe. Auch dieses Auto war nur bedingt rallyetauglich, aber immer noch besser als meine kleine Kiste. Ursula war damit einverstanden, dass wir ihren Wagen für die Rallyes nutzten. »Aber da ist noch ein Problem«, sagte sie, »mir wird am Steuer schnell übel.«
»Da bist du richtig prädestiniert für den Automotorsport!«
Eine grundlegende Rallyeregel ist, dass beim Start für jedes Team feststehen muss, wer fährt und wer Kopilotin ist, danach darf man nicht mehr wechseln. Also durfte Ursula den Weg zur Rallye fahren, wenn sie wollte. Wenn ihr schlecht wurde, setzte ich mich zu Beginn der Rallye ans Steuer. Hatte sie einen guten Tag, fuhr sie. Bei den sehr eingefahrenen Teams gab es eine feste Rollenverteilung, wir lernten beide beides: fahren und den Weg finden. So konnten wir uns, wenn die Kopilotin einmal nicht weiterwusste, gemeinsam über die Motorhaube beugen und das Material studieren.
Eine Rallye ist, wenn man so will, Denksport auf der Straße. Sie beginnt damit, dass man einen Stoß kryptischer Unterlagen überreicht bekommt, die es zu entschlüsseln gilt. Abstraktionen von Straßenkarten, Maßstabsermittlungen, Errechnungen von Längen– und Breitengraden wie in der Seefahrt und vielerlei mehr. Jedes Team muss die Aufgaben lösen, die gefundene Strecke in die Straßenkarte übertragen und in einer vorgegebenen Zeit abfahren. Am Streckenrand stehen Kontrollposten, die dem Team die Vorbeifahrt auf der Bordkarte bescheinigen. Dazu kommen oft weitere Aufgaben wie Gefahrentraining, Langstreckenfahrten oder das Abfahren von Hindernisparcours. Nach drei oder vier Tagen wird ausgewertet, und dann gibt es eine Siegerin.
Der Schreckensmoment einer jeden Rallye ist, wenn der Kopilot ruft: »Ich bin aus der Karte!« Das bedeutet: Alarmstufe rot! Ich weiß nicht, wo wir sind, und habe keine Idee, wie ich unsere Position bestimmen könnte. Waren Ursula und ich in solch einer scheinbar ausweglosen Situation und konnten nicht anhalten, weil wir zum Beispiel auf einer Autobahn fuhren, schalteten wir sofort in den folgenden Modus der Zusammenarbeit: Die Kopilotin versenkte sich in die Karte, die Fahrerin nannte ihr Orientierungspunkte, an denen wir vorbeifuhren: »Rechts zwei Häuser, dahinter ein Teich, links eine Scheune …« So kamen wir irgendwann wieder hinein in die Karte. Rallyefahren war anstrengend, aufregend und großartig.
Unterwegs riefen wir uns immer wieder gegenseitig zu: »Was machen wir hier eigentlich für einen Unsinn? Während andere Leute im Liegestuhl liegen, rasen wir durch die Landschaft und finden den Weg nicht. Das kann doch nicht wahr sein!« Und dann lachten wir laut, um wenig später schon wieder zu debattieren: »Hier müssen wir lang!« – »Nein, ganz falsch, da entlang!« Nichtsdestotrotz waren wir ein eingeschworenes Team, erlebten zusammen die wunderbarsten Szenen.
Ursulas Wagen war schnell und sah schick aus, lag aber tief auf der Straße. Kein
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