Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)
zur Kommentierung zugeteilt wurde, war beileibe nicht mein Lieblingsthema. Natürlich interessierte ich mich für Fragen des Kindeswohls, ich war damals Vorsitzende der Familienrechtskommission des Deutschen Juristinnenbundes und setzte mich in dieser Funktion unter anderem für die Rechte von Kindern ein. Aber die Aussicht, mich als Staudinger -Autorin jahrelang mit Sorgerechtsfragen auseinanderzusetzen, fand ich weniger verlockend. Trotzdem zögerte ich nicht, als Engler mir das Thema antrug. Einer meiner Grundsätze lautet bis heute: Wir Frauen können uns nicht einerseits darüber beklagen, dass wir unbeachtet und ausgegrenzt bleiben, und andererseits ablehnen, wenn uns Anerkennung zuteil– und Beteiligung angeboten wird. Meine Entscheidung für die Mitarbeit an dem Kommentar war teils eine persönliche, zum größeren Teil aber eine emanzipatorische, also sozial begründete Entscheidung.
In meinem Leben ist mir vieles angeboten worden, von der Tätigkeit als Rechtsanwältin in Freiburg über die Richterposition in Hamburg bis hin zum Amt der Justizsenatorin. Auch zur Mitgliedschaft im Deutschen Damen Automobilclub wurde ich eingeladen – ebenso wie zur Mitarbeit am Staudinger . Nach meiner Zeit als Politikerin, als ich mit knapp siebzig Jahren die Tätigkeit als Rechtsanwältin neu aufnehmen wollte, bekam ich Angebote von zehn Kanzleien in Berlin. Nie habe ich mich irgendwo auf gut Glück beworben. Wenn ich mich bewarb, dann fast stets auf Aufforderung. Insofern könnte man sagen: Ich hatte Glück. Oder: Es waren lauter Zufälle. Doch das reicht meines Erachtens als Erklärung nicht aus. An pure Zufälle im Leben glaube ich ohnehin nicht.
Wer etwas erreichen möchte, muss bekannt werden. Manche Menschen vertreten die Auffassung, der Bekanntheitsgrad sei wichtiger für die Karriere als die Qualifikation. Daran glaube ich nicht, ich habe immer sehr darauf geachtet, gute Arbeit zu leisten. Selbstverständlich sind mir wie jedem anderen Menschen auch Fehler unterlaufen, aber im Großen und Ganzen gelang und gelingt es mir, gute Qualität zu liefern. Dabei blieb mir immer im Bewusstsein, dass Fleiß allein nicht reicht, um weiterzukommen. Es ist ein vor allem unter Frauen weitverbreiteter Irrtum, dass sie nur brav ihre Arbeit machen, pünktlich und zuverlässig sein müssen. »Wenn ich gut bin, dann werde ich auch etwas.« Ganz falsch. Es wird kein Prinz – kein Förderer, kein Chef – kommen und den Fleiß mit Karriere belohnen. Kein Personalentscheider läuft mit einer Angel durch seine Firma, fischt die Tüchtigen und Emsigen heraus und macht sie zu Abteilungsleitern oder Geschäftsführerinnen. Und um erfolgreiche Unternehmerin zu werden oder Vorstandsmitglied einer großen Aktiengesellschaft oder auch Ministerin, reicht Fleiß noch weniger aus.
Immer wieder rate ich deshalb Frauen: Macht auf euch aufmerksam! Hebt den Kopf, macht den Mund auf und sorgt dafür, dass man mit euch rechnet! Ergreift die Initiative! Vermarktet euch! Heftet euch, wenn es sein muss, eine Rose ans Revers und eine Feder an den Hut! Das Veilchen im Moose ist eine entzückende kleine Kostbarkeit, wird aber fast immer übersehen.
Es hilft, vor allem zu Beginn des Berufslebens, öfter die Firma oder die Abteilung zu wechseln – so wird das Netzwerk größer, die Anzahl der Bekanntschaften steigt und zugleich der eigene Bekanntheitsgrad. Es hilft und kann empfehlenswert sein, sich einen Termin bei einem Vorgesetzten des Vorgesetzten geben zu lassen, um mit ihm über die eigene Entwicklung im Unternehmen zu sprechen, die (selbstverständlich erfolgreiche) bisherige und die zukünftige. Es hilft, besondere Begabungen weiter auszubilden und einzusetzen – das können etwa Fremdsprachenkenntnisse sein, IT-Kenntnisse, aber auch besondere organisatorische, psychologische oder kommunikative Fähigkeiten. Außerdem spricht nichts dagegen, wenn attraktive Frauen ihre Attraktivität hervorheben, um beruflich voranzukommen. Man sollte seine Mittel einsetzen. Es nützt niemandem, wenn unter der gläsernen Decke lauter zusammengekauerte Frauen sitzen und sagen, wir kommen leider nicht weiter.
Zu den verbreiteten Karrierestrategien gehört es leider auch, Intrigen zu spinnen, Konkurrenten zu täuschen oder auf falsche Fährten zu locken, Informationen zurückzuhalten. Diese und ähnliche Tricks lehne ich ab, weil sie den Regeln des Fair Play widersprechen. Mir selbst halfen innerhalb der Justiz sicherlich die häufigen Wechsel. Dabei lernte ich
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