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Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Titel: Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lore Maria Peschel-Gutzeit
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das waren gewöhnliche Vorgänge. Trotzdem gelang es meinem Widersacher im Richterwahlausschuss, mit seinem bösartigen Vortrag Stimmung gegen mich zu machen. Später erfuhr ich, dass er zwei Verbündete hatte. Mir schien, die drei Richter mussten mich jahrelang beobachtet, Argumente gegen mich gesammelt und ihre Missgunst gepflegt haben. Und ich hatte es nicht gemerkt.
    Aber ich hatte auch zahlreiche Fürsprecher. Sie erhoben sich im Richterwahlausschuss und signalisierten: Diese Diskriminierung machen wir nicht mehr mit. Hier soll ein Mensch vernichtet werden? Ohne uns! Mein Vorsitzender Richter, der nicht dem Richterwahlausschuss angehörte, hatte ein Schreiben verfasst, in dem er die Kampagne gegen mich offenlegte und anprangerte. Zahlreiche Kollegen hatten das Schreiben unterzeichnet. Sie legten es dem Richterwahlausschuss vor.
    Mit großem Stimmenvorsprung wurde ich schließlich zur Senatspräsidentin gewählt. Meine Kinder durften ihr Erbe behalten.
    Im Nachhinein erfuhr ich den Grund für die Kriegserklärung gegen mich: Meine Feinde hatten Personalketten gebildet. Schon lange vor Ablauf der Bewerbungsfrist hatten sie sich auf einen Kandidaten für das vakante Amt des Senatspräsidenten geeinigt und die Besetzung weiterer Positionen ausgekungelt. Nach dem Prinzip: Wenn du mich in diesen Posten wählst, gebe ich dir jenen Posten, dann kann Kollege X nachrücken und Kollege Y wird der Vize … Damit, dass plötzlich eine Frau daherkommt und sagt, ich möchte bitte mitspielen, hatten sie nicht gerechnet. Ohne es zu wissen, hatte ich ihre Seilschaft zerstört.
    Sieben Jahre später wurde ich zur Justizsenatorin in Hamburg gewählt. Ein guter Freund sagte zu mir: »Allein wegen der Panik, die deine einstigen Feinde jetzt haben, lohnt es sich schon für dich, Senatorin zu werden.« Und tatsächlich: Am Tag nach der Wahl stattete einer der Intriganten – zwischenzeitlich war er zum Gerichtspräsidenten aufgestiegen – mir einen Besuch ab. »Ich gratuliere recht herzlich«, sagte er mit einem falschen Lächeln. Er bekam keine Antwort zu hören, ich reichte ihm nicht die Hand und bot ihm keinen Platz an.
    »Äh, nun, wie Sie wissen, haben wir etwas miteinander zu besprechen«, meinte der Gerichtspräsident.
    »Nein, davon weiß ich nichts.«
    »Es gab ja Spannungen damals bei der Frage, ob Sie Senatspräsidentin werden sollten. Sie erinnern sich?«
    Ich warf ihm einen kalten Blick zu.
    Unsicher trat er von einem Fuß auf den anderen und fuhr zögernd fort: »Wir müssen ja künftig miteinander arbeiten. Ich würde gern ein klärendes Gespräch mit Ihnen führen und unser Problem endlich lösen.«
    »Herr Soundso, Sie haben ein Problem? Dann versuchen Sie es zu lösen. Das ist Ihre Sache, nicht meine.«
    Hätte er zugegeben, dass er einst einen Fehler gemacht hatte, und mich um Entschuldigung gebeten, so hätte ich ihm selbstverständlich die Hand gereicht. Aber er hoffte anscheinend, auf billige Art das Geschehene ungeschehen machen zu können. Hielt er mich wirklich für so dumm oder vergesslich, darauf einzugehen? Das wäre eine zusätzliche Beleidigung gewesen. Jedenfalls blieb ich unerbittlich. Meine Macht als Justizsenatorin nutzte ich nicht, um mich zu rächen – das war und ist nicht mein Niveau. Aber ich bemühte mich erfolgreich darum, mit jenem Herrn und seinen einstigen Kumpanen so wenig wie möglich zu tun zu haben.
    Die Intrige hatte mich tief in meinem Innern getroffen, die Verletzungen konnte ich körperlich spüren, ich habe wirklich gelitten. Und die Menschen in meiner Umgebung – meine Kinder, meine Freunde, meine engsten Kollegen – litten mit. So eine Erfahrung wünsche ich niemandem. Mit offener Konfrontation konnte ich schon immer gut umgehen. Aber die Intriganten hatten versucht, mir von einem sicheren Versteck aus in den Rücken zu schießen. Obwohl ich siegte, empfand ich die Erfahrung zugleich als Niederlage. Meinen Feinden war es gelungen, mir Leid zuzufügen. Eine lange Zeit schmerzten die Wunden noch. Als sie verheilt waren, verwuchsen die Narben zu einem Panzer, zu einer Rüstung. Überstandene Niederlagen stärken den Menschen, machen ihn weniger verwundbar, und das gilt – das lernte ich jetzt – auch dann, wenn man nach schlimmen Erfahrungen schließlich siegt.
    Zeitgleich mit mir wurde eine zweite Frau befördert, eine hochintelligente, von mir sehr geschätzte Kollegin, die menschlich ein ganz anderer Typ war als ich. Zurückhaltend, vorsichtig, von zarter Statur, sie sprach

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