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Titel: Selection Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiera Cass
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heute Abend schon die erste Auswahl bekannt?«, fragte May, während sie Kartoffelpüree mampfte.
    »Nein, Schatz. Man kann noch neun Tage seine Bewerbung einreichen. Wir werden vermutlich erst in zwei Wochen etwas erfahren.« Moms Stimme klang so ruhig wie schon seit Jahren nicht mehr. Sie war total entspannt, weil sie endlich einmal bekommen hatte, was sie sich gewünscht hatte.
    »Oh Mann! So lang kann ich aber nicht warten«, jammerte May.
    Sie konnte sich nicht so lange gedulden? Dabei stand doch mein Name auf der Liste!
    »Deine Mutter hat erzählt, dass ihr lange warten musstet.« Es wunderte mich, dass Dad sich an diesem Gespräch beteiligte.
    »Ja«, antwortete ich. »Dass sich so viele Mädchen bewerben würden, hätte ich nicht gedacht. Ich weiß nicht, weshalb die Frist noch neun Tage läuft. Offenbar haben sich ohnehin schon alle geeigneten Mädchen aus der ganzen Provinz angemeldet.«
    Dad schmunzelte. »Und? Hat es Spaß gemacht, die Konkurrentinnen zu begutachten?«
    »Hat mich nicht sonderlich interessiert«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Hab ich Mom überlassen.«
    Meine Mutter nickte. »Doch, ich hab das schon gemacht. Unwillkürlich. Und ich muss sagen, dass America einen sehr guten Eindruck gemacht hat. Sie sah gepflegt, aber natürlich aus. Und du bist einfach wunderhübsch, meine Süße. Wenn die sich wirklich alle anschauen und nicht jemanden Beliebigen auswählen, hast du bessere Chancen, als ich gedacht hätte.«
    »Na, ich weiß nicht«, sagte ich zweifelnd. »Da war doch dieses Mädchen mit dem knallroten Lippenstift. Sah aus, als ob ihre Lippen bluteten. Vielleicht findet der Prinz ja so was toll.«
    Alle lachten, woraufhin Mom und ich die Runde mit Details unterhielten, die uns aufgefallen waren. May hing förmlich an unseren Lippen, und Gerad grinste immer wieder vor sich hin. Manchmal vergaß ich, dass Gerad nur angespannte Stimmung erlebt hatte, seit er ein bisschen älter war und mehr verstehen konnte. Ich konnte gar nicht ermessen, was solche Ausgelassenheit nun für ihn bedeutete.
    Um acht pilgerten wir alle ins Wohnzimmer – Dad ließ sich in seinem Sessel nieder, Mom saß auf der Couch, mit Gerad auf dem Schoß, May neben ihr – und schalteten den einzigen öffentlichen Sender ein, für den man nicht bezahlen musste. Den konnten sogar Achter empfangen, wenn sie einen Fernseher besaßen.
    Die Nationalhymne ertönte. Das ist vielleicht albern, aber ich liebe die Hymne seit jeher und singe sie auch sehr gerne.
    Dann sah man die Königsfamilie. König Clarkson stand an einem Sprechpult. Rechterhand befanden sich seine Berater, die neue Meldungen zur Infrastruktur und zu Umweltfragen bekannt gaben. Es hatte den Anschein, als solle heute Abend noch so einiges verkündet werden. Links saßen auf thronähnlichen Sesseln die Königin und Prinz Maxon, die in ihrer eleganten Kleidung imposant und hochherrschaftlich wirkten.
    »Schau, da ist dein Freund, Ames«, sagte May, und alle lachten.
    Ich betrachtete Maxon. Auf seine Art sah er wohl schon gut aus, das musste ich zugeben. Aber eben ganz anders als Aspen. Der Prinz hatte honigblonde Haare und braune Augen. Irgendwie strahlte er etwas Sommerliches aus, was manche Menschen sicher erfreulich fanden. Seine Haare waren kurz geschnitten, und sein grauer Anzug saß tadellos.
    Aber der Prinz sah steif und angespannt aus, und sein gesamtes Outfit wirkte unecht und zu glatt. Er kam mir mehr wie ein Gemälde als wie ein lebender Mensch vor. Ich bedauerte das Mädchen beinahe, das seine Frau werden würde. Sie würde wohl ein furchtbar langweiliges Leben haben.
    Als Nächstes nahm ich die Königin in Augenschein. Sie saß ebenfalls sehr aufrecht, wirkte aber gelassen und freundlich. Mir fiel ein, dass sie – im Gegensatz zum König und Prinz Maxon – nicht im Palast groß geworden war. Sie war eine gerühmte Tochter von Illeá und vielleicht einstmals ein Mädchen wie ich gewesen.
    Der König setzte zu seiner Rede an, aber ich wollte das unbedingt wissen.
    »Mom?«, flüsterte ich, um Dad nicht zu stören.
    »Ja?«
    »Die Königin … was war sie früher? Ich meine, aus welcher Kaste stammt sie?«
    Mom lächelte über mein Interesse. »Vier.«
    Eine Vier. Sie hatte in ihrer Jugend also in einer Fabrik, in einem Geschäft oder auf dem Bauernhof gearbeitet. Ich sinnierte über ihr Leben und fragte mich, ob sie wohl aus einer großen Familie stammte. Vermutlich hatte sie sich auch vor ihrer Heirat keine Sorgen um die nächste Mahlzeit machen

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