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Gesellschaft. Aber das Verhalten der Nordrebellen ist uns im Grunde das wahre Rätsel. Mein Vater meint, sie wollen uns einfach nur behindern und stören, aber das glaube ich nicht.« Er sah aus, als sei er stolz auf etwas. »Auch darüber habe ich eine Theorie.«
»Darf ich die erfahren?«
Maxon zögerte wieder. Diesmal fürchtete er wohl nicht, mich zu erschrecken, sondern eher, nicht ernst genommen zu werden.
Er beugte sich erneut vor und flüsterte: »Ich glaube, dass sie nach etwas suchen.«
»Aber wonach?«
»Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass es hier nach einem Angriff der Nordrebellen immer gleich aussieht: Die Wachen werden bewusstlos geschlagen, verletzt oder gefesselt, aber niemals getötet. Es hat den Anschein, als wollten die Rebellen nur verhindern, dass man ihnen folgt. Sie entführen allerdings Leute von hier, was ich schlimm finde. Und die Räume, zu denen sie sich Zugang verschaffen, sind danach völlig verwüstet. Jede Schublade wird herausgezogen, jedes Regal durchsucht, Teppiche sind umgedreht und vieles ist kaputt. Sie glauben ja gar nicht, wie viele Kameras ich über die Jahre ersetzt habe.«
»Kameras?«
»Oh«, sagte er etwas verlegen. »Ich habe eine Leidenschaft für Fotografie. Doch trotz des Chaos, das die Rebellen hinterlassen, nehmen sie nicht viel mit. Vater hält meine Idee natürlich für Unsinn. Wonach könnte eine Horde barbarischer Analphabeten wohl Ausschau halten? Aber ich glaube, dass es da irgendetwas gibt.«
Eine spannende Geschichte. Wenn ich mittellos wäre und in den Palast einbrechen könnte, würde ich doch den gesamten Schmuck und alles, was sich verkaufen ließ, mitgehen lassen, oder? Ich vermutete auch, dass es den Rebellen bei ihren Attacken auf den Palast nicht nur ums Überleben oder um ein politisches Statement ging.
»Finden Sie die Idee auch unsinnig?«, fragte Maxon und riss mich damit aus meinen Gedanken.
»Nein. Verwirrend vielleicht, aber nicht unsinnig.«
Wir warfen uns ein scheues Lächeln zu. Wenn Maxon einfach nur Maxon Schreave und nicht der künftige König von Illeá wäre, dachte ich mir, würde ich gerne Tür an Tür mit ihm wohnen, damit wir uns jederzeit sehen und ein bisschen plaudern könnten.
Er räusperte sich. »Ich sollte wohl mal weiter die Runde machen.«
»Ja. Die Mädchen fragen sich bestimmt schon, weshalb Sie sich bei mir so lange aufhalten.«
»Also, Kumpel «, sagte Maxon, »mit wem soll ich denn Ihrer Meinung nach als Nächstes sprechen?«
Ich lächelte und warf einen raschen Blick auf meine Favoritin, um zu sehen, ob sie noch Haltung bewahrte. Sie tat es.
»Sehen Sie das blonde Mädchen in Rosa da drüben? Das ist Marlee. Eine ganz Süße. Lieb und charmant. Und sie mag Filme. Nichts wie hin.«
Maxon kicherte und steuerte Marlee an.
Die Zeit im Speisesaal kam mir vor wie eine Ewigkeit, aber der Angriff hatte insgesamt nicht länger als eine Stunde gedauert. Später erfuhren wir, dass die Rebellen nur in den Garten eingedrungen waren, nicht jedoch in den Palast. Die Wachen hatten erst auf die Rebellen geschossen, als sie sich den bewachten Toren näherten. Deshalb hatten sie ungehindert Steine, die sie aus der Palastmauer entfernt hatten, und verdorbene Lebensmittel an Fenster und Wände werfen können.
Am Ende hatten sich zwei Männer zu nahe an die Tore gewagt, worauf die Wachen feuerten und die ganze Horde flüchtete. Wenn Maxons Theorien zutrafen, musste es sich bei den Eindringlingen um Nordrebellen gehandelt haben.
Wir wurden noch eine Weile bewacht, während man das Gelände durchsuchte. Als schließlich Entwarnung gegeben wurde, durften wir auf unsere Zimmer gehen. Ich ging Arm in Arm mit Marlee. Obwohl ich Haltung bewahrt hatte, spürte ich jetzt meine Erschöpfung und war froh, abgelenkt zu werden.
»Hat er dir die Hosen trotzdem gegeben?«, fragte Marlee. Ich war gleich auf Maxon zu sprechen gekommen, weil ich wissen wollte, wie ihre Unterhaltung verlaufen war.
»Ja. Er war sehr großzügig, in jeder Hinsicht.«
»Ich finde es schön, dass er ein guter Gewinner ist«, sagte sie.
»Ist er. Er ist sogar noch liebenswürdig, wenn er was einstecken muss.«
»Wie meinst du das?«
»Ach, nichts.« Ich hatte nicht die Absicht, ihr das zu erklären. »Worüber habt ihr beiden denn heute geredet?«
»Na ja, er hat mich gefragt, ob wir uns diese Woche treffen wollen.« Sie wurde ein bisschen rot.
»Ach, Marlee, das ist ja toll!«
»Schsch!«, machte sie und schaute sich um. »Ich will mir keine
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