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Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)

Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Schröger , Katharina Gerwens
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II. ging’s doch auch ganz schnell mit der Seligsprechung, und im Himmel sind alle Seligen gleich nah bei unserm Herrn, egal, ob sie vorher Papst oder – wie meine Agnes – Krankenschwester waren.
    Dieses Schreiben, über das sie lange nachgedacht und an dem sie viele Samstagnachmittage am kirchlichen Computer gearbeitet hatte, während ihr Bruder im Gotteshaus nebenan die Beichte abnahm, war richtig gewesen. Das zeigte das Auftauchen dieses jungen Mannes. Auf seine Landsleute konnte man sich letzten Endes doch am ehesten verlassen. »Danke, Heiliger Vater«, flüsterte sie und richtete ihren Blick zum südlichen Fenster, da sie in dieser Richtung die Stadt Rom vermutete. Auf Benedikt konnte man bauen.
    »Wie heißen Sie noch mal?« fragte sie, als sie ihrem Gast Kaffee und Kuchen hinstellte. »In all der Aufregung hab ich Ihren Namen vergessen.«
    »Mein Ordensname ist Bruder Ägidius.«
    Er sah so jung aus – oder lag es daran, dass sie selber immer älter wurde? Als habe er ihren Gedanken gelesen, fügte er hinzu. »Ich bin schon achtundzwanzig, auch wenn ich jünger wirke, ich weiß. Aber ich habe ein abgeschlossenes Theologiestudium und bin vom bischöflichen Ordinariat in Regensburg hierher geschickt worden, um die Beatifikation der Agnes zu überprüfen. Es ist mein erster größerer Einsatz, und das zeigt, dass man Vertrauen in mich setzt.«
    »Ja, ja, ist schon gut. Ich bin ja so froh, dass Sie endlich gekommen sind«, unterbrach sie ihn und hatte mit einem Mal Angst, dass er sie wieder verlassen könnte. Er war so furchtbar förmlich, und wenn sie nur einen Fehler machte, würde er möglicherweise von heute auf morgen verschwinden. Das durfte nicht geschehen.
    »Ich plane exakt so lange zu bleiben, bis wir die Sachlage geklärt haben und entweder weitere Schritte unternehmen oder das Ganze vergessen«, fügte er wie einstudiert hinzu. »Ist Ihnen das recht?«
    »Ja, sehr, Sie werden sehen, meine Agnes ist eine Heilige. Was die für viele Wunder wirkt, fast täglich. Vor allen Dingen jetzt, da sie so nah bei unserm Herrgott ist.«
    Sie registrierte, dass ihr Gast sich gerade das vierte Stück Kuchen nahm. Dieses arme Priesterchen musste ja total ausgehungert sein. Sie fragte sich, ob er während seines Studiums gehungert habe, weil Hungern ja angeblich zur Erleuchtung beiträgt. Warum sonst sollte es die Fastenzeit geben?
    »Schmeckt es?«
    »Sehr gut. Wunderbar. Darf ich?« Er nahm ein fünftes Stück.
    Sie nickte. »Wären Sie nur ein bisserl früher gekommen«, fügte sie fürsorglich hinzu, »dann hätten Sie mit uns zu Mittag essen können.«
    »Danke, ich hab schon im Gasthaus gegenüber gegessen. Gute Küche übrigens. Hervorragende Rindsrouladen.«
    »Ich finde, die Küche dort wird überschätzt, eindeutig«, sagte sie spitz.
    Konzentriert verfolgte sie die Bewegungen seiner schmalen Hände, die ein Eigenleben zu führen schienen, mechanisch das Gebäck auf dem weißen Porzellanteller in Stücke brachen, dann zum Mund führten und sich erneut Richtung Teller bewegten. Als hätten sie nichts mit ihm zu tun. Sie war noch nie jemandem begegnet, der so viel essen konnte. Sollte er doch den ganzen Kuchen verspeisen!
    Ihr Bruder, der seinem sonntäglichen Mittagsschlaf frönte, würde dann eben leer ausgehen. Martha empfand das in diesem Moment als gerechte Strafe dafür, dass Wilhelm nichts von der Seligsprechung ihrer Freundin Agnes hielt. Für ihn waren all die ungewöhnlichen Dinge, die sich seit ihrem Tod ereignet hatten, nichts als dummes Geschwätz und lächerliche Gerüchte.
    Gut, dass dieser Ägidius nun da war. Er war zwar verdammt jung, aber er kam von der bischöflichen Kongregation, die ihn wiederum auf direkten Befehl des Papstes nach Kleinöd geschickt hatte. Wenn Bruder Ägidius erst einmal mit seinen Ausführungen begann, so würde Wilhelm dem mehr Glauben schenken als seiner eigenen Schwester.
    »Das ist mein Verhängnis, dass ich immerzu essen muss und niemals satt werde. Laster und Strafe zugleich«, gestand Ägidius mit Leidensmiene, sah zu Martha Moosthenninger auf und schnitt sich ein weiteres Stück Kuchen ab. Dann erklärte er mit vollem Mund: »Ich bin hier, um die mögliche Seligsprechung von Agnes Harbinger zu prüfen und ihren Ruf der Heiligkeit sowie den Ruf der Wundertätigkeit entweder zu bestätigen oder zu verwerfen. Meine Empfehlungen werden vom Bischof geprüft und alsdann unserem Heiligen Vater vorgelegt. Der trifft mit Gottes Hilfe die rechte

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