Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
Charlotte an ihre Nichte. »Der hat zwar seine Fehler, aber so schlimm ist er nun auch wieder nicht. Also wenn ich den erwisch, der dir das angetan hat! Der wird sein Lebtag nicht mehr froh.«
»Um das herauszufinden, bin ich ja hier.« Franziska zeigte auf das Kind: »Sie sollten ihr die Zeitschrift wegnehmen. Schauen Sie mal, Ihre Tochter steckt sich Schwermetalle, Cadmium und Blei in den Mund. Das ist ungesund!«
Mit matter Stimme murmelte Gertraud: »Lass das, Eulalia, das ist giftig. Gib der Mama die Schnitzelchen.«
Brav sammelte Eulalia-Sophie das Papier ein und schob das Häuflein über den Couchtisch zu ihrer Mutter.
»Er wollte auch das Kind adoptieren – damit es einen angemessenen Platz in unserem Gläsernen Vilstal findet«, murmelte Gertraud und strich der Kleinen über den Kopf.
»Im Gläsernen Vilstal?« Franziska hob die Brauen. »Was ist denn das?«
»Das war seine Leidenschaft«, erklärte Gertraud. »Ohne die hätten wir uns niemals kennengelernt. Das hat uns miteinander verbunden.«
Sie wurde ein wenig ruhiger. Es schien ihr gutzutun, über Günther zu sprechen. Franziska ließ sie reden und wunderte sich über all die Einzelheiten, die Gertraud zu berichten wusste. Als habe sie jedes Detail dieser Beziehung, jeden Satz, den Günther gesagt hatte, in ihrem Gedächtnis gespeichert.
»Seine Arbeit am Gläsernen Vilstal hat damit angefangen, dass ihm alte Tagebücher in die Hände gefallen sind«, berichtete Gertraud. »Ihn hat interessiert, wer mit wem verwandt ist – und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern auch vom Blut her. Im Grunde genommen ist das ein einziger riesiger Stammbaum, und wir alle sind irgendwie miteinander verwandt. Dem Günther seine Aufzeichnungen beginnen vor etwa tausend Jahren. Weiter zurück konnte er nicht in der Geschichte.« Sie stand auf. »Warten Sie einen Moment.« Kurz darauf kam sie mit einem Kärtchen zurück. »Schaun Sie, das ist seine Visitenkarte, das war sie.« Erneut begann sie zu weinen und ließ sich wieder auf das Sofa fallen.
Beeindruckt studierte Franziska die zahlreichen Tätigkeitsbereiche des Dr. Günther Hellmann. »Donnerwetter, das alles hat er noch neben seinem Beruf als Bibliothekar gemacht?«
Gertraud nickte stolz.
»Und hat er viel hier in der Gegend geforscht?« Franziska hatte plötzlich das Gefühl, dass diese Nebenbeschäftigung des Ermordeten etwas mit seinem Ableben zu tun haben könnte.
»Na, der letzte Fall war im Sommer oder vielleicht schon im Mai?« Sie sah ihre Tante fragend an. Die hob die Schultern. »Ist ja auch egal, aber da hat er sich gewundert, denn so einen Auftrag hatte er noch nie, und er hat noch erzählt, dass sich gerade in diesem Fall sein Gläsernes Vilstal bezahlt gemacht hat.«
Franziska horchte auf. »Inwiefern?«
»Na ja, als er mir erzählt hat, wer da bei ihm angefragt hat, wusst ich sofort, dass das nur die Martha Moosthenninger sein kann. Die war ja so was von verrückt wegen dieser Quelle auf dem Brunnerhof und wollte um jeden Preis verhindern, dass der Malwine ihr Anwesen an die Gemeinde und somit an den Waldmoser fällt. Und deshalb hat sie ihn um die Erforschung von irgendwelchen Verwandtschaftsverhältnissen gebeten.«
»Und hat er ihr helfen können?«, fragte Franziska.
»Der Günther konnte allen helfen.« Tränen traten ihr in die Augen. »Nur sich selbst nicht.«
»Und was ist herausgekommen?«
Gertraud hob die Schultern. »Das weiß ich nicht. Er wollte nicht darüber sprechen. Ab und zu ist ihm was rausgerutscht, das war ihm schon peinlich genug. Deshalb hab ich auch nie nachgefragt.«
»Kind, beruhige dich«, sagte Charlotte und griff eigenartig hilflos nach der Hand ihrer Nichte. »Glaub mir, alles wird wieder gut.«
»Das ist nicht wahr. Nichts wird wieder gut«, heulte Gertraud auf und schluchzte hemmungslos.
»So, Herr Bürgermeister, kaum sieht man sich ein Jahr lang nicht, schon bin ich wieder da.« Bruno versuchte sich an einem Grinsen.
»Bei unserem letzten Fall hab ich Sie gar ned g’sehn.« Markus Waldmoser erinnerte sich. »Den hat Ihre Kollegin mit unserer Hilfe dann ja auch sehr schnell lösen können.«
»Auch unsereiner macht mal Urlaub. Aber jetzt bin ich wieder da und würde gerne mit Ihnen die Liste Ihrer Treiber durchgehen. Die hatten Sie ja schon an Frau Hausmann gemailt.«
»Kein Problem. Kommen Sie rein.«
Waldmoser führte den jungen Kommissar an dem gläsernen Gewächshaus vorbei.
»Das steht hier auch noch nicht so lange, oder?«, bemerkte
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