Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
Bruders. Der ist schon freigegeben. Sie können ihn bei uns abholen. Hier ist die Adresse.«
Er steckte das Kärtchen ein, blieb kurz stehen und zog die Stirn kraus. »Was ist denn das für ein Auto?«
»Ein Honda, etwa sechs Jahre alt, auberginefarben.«
»Ein Honda? Nee, so was kommt mir nicht ins Haus. Also meinetwegen kann die Verlobte den haben.« Er zögerte kurz, als überprüfe er eine Idee. »Allerdings nur, wenn sie auch die Wohnung leer räumt.«
Franziska sah ihn nachdenklich an. »Ich weiß nicht, ob die Verlobte das will. Aber da sag ich Ihnen Bescheid. Möglicherweise müssen Sie all Ihre Ansprüche schriftlich auf sie übertragen.«
»Ich unterschreib Ihnen alles, wenn Sie mich nur da raushalten.«
Franziska stellte sich ihm in den Weg. »Sie müssten Ihren Bruder außerdem noch identifizieren.«
»Kann das nicht auch die Verlobte machen?« Er zwängte sich an ihr vorbei.
Sie folgte ihm. »Ich weiß nicht, ob sie sich dazu in der Lage sieht. Die Frau steht unter Schock.«
Er stand bereits in der geöffneten Eingangstür. »Die wird sich schon wieder beruhigen. Die Toten wandern schnell, glauben Sie mir. Ich weiß das von unseren Eltern. Wenn’s geht, soll sie sich auch um die Bestattung und den ganzen Kram kümmern. Vielleicht will sie ihn ja auf ihrem Friedhof haben, dann kann sie ihn täglich besuchen. Ist mir alles recht. Fragen Sie sie einfach. Die Begräbniskosten übernehme selbstverständlich ich. Aber für alles andere hab ich nun mal keine Zeit. Bankenkrise, Geldkrise, Währungskrise. Für Otto Normalverbraucher gibt es keine Rettungsschirme. So, und jetzt muss ich wirklich gehen.«
Er sprang in sein Auto und verließ mit quietschenden Reifen sein Grundstück.
Franziska schüttelte sich verdutzt. Hatte der sie da gerade zu seiner Assistentin gemacht? Sie voll gepackt mit einer Unmenge von Aufgaben? Vermutlich besaß er auch noch die Frechheit, morgen bei ihr anzurufen und nachzufragen, ob sie schon alles erledigt habe. Das traute sie ihm zu.
Frau Hellmann ließ sich nicht blicken, als Franziska nach ihrer Jacke griff und das Haus verließ. Erst als sie den Wagen gewendet hatte und auf dem Weg nach Landau erneut an der Doppelhaushälfte vorbeifuhr, sah sie sie mit dem Baby auf dem Arm hinter einem der erleuchteten Fenster stehen. Sie wirkte nicht so resolut, als könne sie sich ihrem Mann widersetzen oder gar darüber bestimmen, wer Pate ihrer Kinder würde.
Franziska gab die Adresse ihrer Wohnung in den Navigator ein und ließ sich von der Stimme führen. Auf dem Heimweg durch das Industriegebiet kam sie an einem geöffneten Supermarkt vorbei und verspürte plötzlich einen irrsinnigen Hunger. Und wie immer, wenn sie in diesem Zustand einkaufte, griff sie maßlos zu. Für sich, für ihren Mann und für den Kater Schiely. Bepackt mit einer Kiste frischem Gemüse und gut abgehangenem Suppenfleisch, Tüten voller Katzenfutter für den Kater und Süßigkeiten aus den Aktionsregalen für ihren Mann, kam sie heim und machte sich gleich ans Kochen.
Die Vorfreude auf einen frischen Eintopf ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Sie schnitt das Gemüse und dachte wie so oft, dass die Zubereitung von Mahlzeiten eine ebenso meditative wie kreative Beschäftigung war und äußerst beruhigend wirkte. Zumindest auf sie.
Als ihr beim Würfeln der Zwiebeln Tränen in die Augen schossen, musste sie an Günther Hellmann denken, dessen Angehörigen sein Tod ja offensichtlich völlig egal war. Es hatte sogar den Anschein, als empfinde die Familie Edwin Hellmann den Mord als unliebsame Belästigung, die ihren gut eingespielten Alltag durcheinanderbrachte. Die kleine Tochter hatte den Bruder ihres Vaters offensichtlich noch nie gesehen.
Franziska seufzte. Vermutlich wäre es vernünftig, Gertraud und ihrer Tante Charlotte alle anstehenden Bestattungsrituale zu überlassen. Würdevoller als Edwin bekämen die das allemal hin. Sie beschloss, mit Gertraud zu sprechen. Sollte die sich einverstanden erklären, würde Edwin sich vom Nachlassgericht den Erbberechtigungsschein ausstellen lassen müssen, und erst dann könnte er alles per Verfügung auf die Verlobte umschreiben lassen.
Wie wäre es wohl bei ihr, wenn sie plötzlich stürbe? Würde Christian trauern, oder empfände er ihren Tod eher als eine lästige Unterbrechung seines so gut organisierten Alltags? Würde er sich davor drücken, die Beerdigung zu organisieren? Sie wollte verbrannt werden. Das musste sie ihm noch sagen. In Vilshofen
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