Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
Vom Netzwerk:
stand auf.
    »Aber wo sie nur noch so wenig Leute haben, sehen sie das wohl nicht mehr so eng. Hier gibt es ja nichts zu stehlen. Nur ein leeres Haus.«
    Hummerbakken verließ sie und machte noch eine Runde mit dem Hund. Hanne Wilhelmsen ließ sich eine Taschenlampe geben. Mitten auf dem blutigen Boden hatte jemand einen Pappstreifen ausgelegt, es sah aus wie eine ziel- und sinnlose Laufplanke. Vorsichtig ging sie über den Streifen und stellte fest, daß auch hier eine achtziffrige Zahl an die blutverschmierte Wand geschrieben war. Dann drehte sie sich zu den anderen um, ging in die Hocke und sah sich nach allen Seiten um.
    »Hab’ ich’s mir doch gedacht«, stellte sie fest, stand auf und ging zurück.
    Niemand begriff, was Hanne sich doch gedacht haben könnte. Cecilie verstummte angesichts der vielen Eindrücke und konnte es nicht fassen, daß sie wirklich hier mitten zwischen Hannes aufgeregten Kollegen stand.
    »Innerhalb einer Fläche von über zwei Quadratmetern ist man hier einfach nicht zu sehen«, erklärte Hanne. »Das nächste Haus, das wir von hier aus sehen, ist das dahinten. Bei dieser Dunkelheit glaube ich aber nicht, daß uns hier jemand von dort sehen kann.«
    Aller Augen folgten ihrem Zeigefinger, der auf ein dunkles Haus auf einer kleinen Anhöhe wies, es war sicher dreihundert Meter entfernt. Vielleicht sogar noch weiter.
    »Hallo«, sagte Håkon Sand plötzlich, als habe er Cecilie gerade erst entdeckt. Er streckte die Hand aus. »Ich bin Håkon Sand.«
    »Cecilie Wibe.« Cecilie strahlte ihn an.
    Hanne schaltete sich in dieses kurze Gespräch ein.
    »Eine Freundin von mir. War gerade zu Besuch. Konnte sie doch nicht allein da sitzen lassen«, log sie mit angestrengtem Lächeln und bereute es gleich darauf zutiefst.
    »Und jetzt mußt du mich wohl auch noch nach Hause fahren«, sagte Cecilie eiskalt, nickte Håkon kurz zu und ging auf die Tür des grauen Hauses zu.
    »Nein, warte, Cecilie«, sagte Hanne ziemlich verzweifelt. Und laut, um auch ganz sicher von ihrer Liebsten gehört zu werden, wandte sie sich an Håkon: »Übrigens möchte ich dich für nächsten Freitag zum Essen einladen. Bei uns zu Hause, meine ich. Dann kannst du endlich …« Sie schluckte das Wort »sie« herunter. »… mit uns essen«, schloß sie, ohne darüber nachzudenken, wie seltsam diese Wiederholung sich anhören mußte.
    Der Polizeiadjutant sah aus, als sei er soeben zu einer dreiwöchigen Kreuzfahrt durch die Karibik eingeladen worden. So verdutzt und so offensichtlich erfreut.
    »Aber klar«, sagte er, ohne auch nur daran zu denken, daß er sich bei seiner alten Mutter angesagt hatte. »Gern! Aber vorher sehen wir uns ja noch.«
    Hanne überließ das Blutbad seinem Schicksal und folgte Cecilie zum Motorrad. Sie schwieg. Sie fühlte sich wie betäubt und wußte einfach nicht, wie sie die Verabredung, die sie gerade getroffen hatte, rückgängig machen sollte.
    »Das war also Håkon Sand. Der sieht nett aus«, plauderte Cecilie. »Ich glaube allerdings, du solltest ihm vor dem Essen von mir erzählen.«
    Dann legte sie den Kopf in den Nacken und lachte auf, ehe ihr einfiel, an welch düsterem Ort sie sich hier befand, woraufhin sie abrupt verstummte. Aber sie lächelte den ganzen Heimweg über vor sich hin.

SONNTAG, 6. JUNI
    Endlich hatten die Zeitungen angebissen. Darüber freute er sich aufrichtig. Gegen zehn hatten ihn die Kirchenglocken nach vier kurzen Stunden immerhin tiefen Schlafs geweckt; er hatte einen Trainingsanzug übergestreift und war zur Tankstelle gegangen, um herauszufinden, ob sich inzwischen neben der Polizei auch noch andere für sein Vorgehen interessierten.
    Es war fast mehr, als er erhofft hatte. Die ganze erste Seite einer Boulevardzeitung stand unter der Schlagzeile: »Geheimnisvolles Blutbad in Oslo«, mit dem Untertitel: »Polizei sucht die Opfer«. Ein Eckchen war für ein Foto reserviert, das einen Streifenwagen, eine Absperrung und fünf Polizisten zeigte. Es war im Grunde enttäuschend klein und nichtssagend, aber bei genauerem Nachdenken war eine blutbefleckte Hausecke vielleicht nicht das zwingende Fotomotiv. Zumindest, solange es nicht in Farbe war.
    Nächstesmal vielleicht, dachte er, dann duschte er zum zweitenmal innerhalb von fünf Stunden. Nächstesmal.
    Sie kamen sich vor, als seien sie in einen mittelmäßigen amerikanischen Fernsehfilm geraten. Sie befanden sich in einem typischen Junggesellenzimmer, in einem geschmacklos riesigen, weißlackierten Bett mit

Weitere Kostenlose Bücher