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Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Håkon. Über hundert! Und in wie vielen haben wir besondere Ermittlungen angestellt, was meinst du?«
    »Bei nicht besonders vielen«, murmelte er ein wenig schuldbewußt. Wie in einem Reflex schielte er zu den Ordnern von drei Fällen hinüber, die nur auf den Einstellungsstempel warteten.
    Vergewaltigungen. Die Ordner waren allesamt sehr dünn. So ungefähr nichts an Ermittlungen hatte stattgefunden.
    »Und wie viele Morde stellen wir pro Jahr ein?« Das war Hannes nächste rhetorische Frage.
    »Mordfälle werden fast nie eingestellt!«
    »Genau! Er konnte Kristine Håverstad einfach nicht umbringen. Das wäre einige Stunden später entdeckt worden, und wir wären wie die Wespen in der Stadt herumgeschwirrt. Dieser Typ ist wirklich clever.«
    Sie schlug auf den Tisch.
    »Verdammt clever.«
    »So verdammt clever kann er wiederum auch nicht sein. Kristine hat schließlich sein Gesicht gesehen.«
    »Aber nicht sehr gut. Du hast ja gesehen, was sie uns für eine Zeichnung geliefert hat. Nicht besonders solide.«
    Sie wurden von einer Beamtin unterbrochen, die ein Haftbegehren ablieferte.
    »Es kommen noch fünf vom Diebstahl«, sagte sie mitleidig und verschwand.
    »Trotzdem krieg’ ich eins nicht auf die Reihe«, sagte Håkon nachdenklich. »Wenn er sein perfektes System hat, warum hält er sich dann nicht daran? Er kann doch nicht nur so geil gewesen sein, daß er einfach eine Nummer haben mußte?«
    Natürlich konnte er das gewesen sein. Dieser Gedanke kam Hanne Wilhelmsen und Håkon Sand gleichzeitig. Im Frühling des vergangenen Jahres war Oslo von einer Serie von Vergewaltigungen heimgesucht worden, die meisten waren sogar in Homansbyen passiert. Der Täter war schließlich eher durch einen Zufall festgenommen worden. Und die Erklärung für jene Vergewaltigungen fiel ihnen nun ein.
    »Bol«, sagte Håkon Sand und sah seine Kollegin entsetzt an. »Anabole Steroide.«
    »Wir suchen nach einem Muskelmann«, sagte Hanne Wilhelmsen. »Immer neue Spuren. Und jetzt will ich, wie gesagt, einen blauen Zettel. Dieser Typ scheint doch perfekt zu passen.«
    Sie tippte auf die beiden Zettel, die sie mitgebracht hatte, und legte ihm das blaue Formular hin. Er rührte es nicht an. »Du bist müde«, sagte er.
    »Müde? Ja, natürlich bin ich müde.«
    »Du bist so müde, daß du nicht mehr klar denken kannst.«
    »Klar denken? Wie meinst du das, zum Henker?«
    Natürlich war sie müde. Das waren sie alle. Aber es wurde nicht besser davon, daß Håkon Sand diese überaus willkommene Festnahme hinauszögerte.
    »Das reicht einfach bei weitem nicht aus«, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust. »Und das weißt du genau.«
    Hanne Wilhelmsen wußte nicht so recht, was sie glauben sollte. Ihr hatte schon seit vielen Jahren kein Jurist mehr einen Haftbefehl verweigert. Und bei Håkon Sand war ihr das in der gesamten vierjährigen Zusammenarbeit noch nicht ein einziges Mal passiert. Ihre Überraschung war so groß, daß sie den rasch auflodernden Zorn fast überdeckte. »Meinst du im Ernst …« Sie stand auf und stützte sich in fast drohender Haltung auf seinen Schreibtisch. »Willst du mir erzählen, daß du mir keinen blauen Zettel ausstellen willst?«
    Er nickte nur.
    »Aber warum zum Teu …« Sie blickte an die Decke, als könnte sie dort oben Hilfe finden. »Was um Himmels willen soll denn das?«
    »Ich meine, daß eine Festnahme durch nichts gerechtfertigt ist. Bestell den Kerl auf die übliche Weise zum Verhör. Versuch, mehr gegen ihn in die Hand zu bekommen. Dann können wir über den Fall diskutieren. Und entscheiden, ob wir ihn erst mal in den Knast stecken.«
    »Knast? Ich rede doch nicht von Knast. Ich rede von einem schnöden, blöden blauen Zettel in einem schwachsinnigen Fall, der vielleicht vier Frauen das Leben gekostet hat.«
    Håkon Sand hatte Hanne Wilhelmsen noch nie so wütend gesehen. Aber er ließ sich nicht erweichen. Er wußte, daß er recht hatte. Zwei Hinweise auf einen möglichen Täter waren einfach kein stichhaltiger Grund. Selbst wenn der Mann bei der Ausländerbehörde arbeitete. Und damit freien Zugang zu allen Informationen über Flüchtlinge hatte, die sein Herz nur begehren mochte. Håkon schauderte es bei dieser Vorstellung.
    Aber es reichte nicht. Das wußte er. Und er wußte, daß Hanne Wilhelmsen das im Grunde auch wußte. Vielleicht schwieg sie ja deshalb. Sie riß den unausgefüllten blauen Zettel und die beiden Tips an sich und knallte die Tür hinter sich zu.
    »Arsch«,

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