Selige Witwen
sie alles wieder zusammen, nahm nicht einmal die Korallenkette ihrer Großmutter aus der Schatulle oder das Hochzeitsbild ihrer Eltern aus dem Album.
»Im Kino hab' ich einmal gesehen«, lobte ich meinen Lehrling, »wie sich ein junger Safeknacker nicht bremsen konnte und den schönsten Ring für seine Braut einsteckte, statt sich mit neutralen Goldbarren zu begnügen. Dadurch kam alles raus, so was darf einem Profi niemals passieren!«
Auch diesmal schien das Mehrfamilienhaus fast unbewohnt, aber der Briefträger hatte inzwischen Post in die Kästen geworfen. Wir öffneten die Wohnungstür, hängten die Kleider wieder in den Schrank, stellten die Fotoalben ins Regal und schoben die Schmuckkassette in ein Fach voller Tischwäsche.
Zum Schluß schickte ich die inzwischen leicht hysterische Kathrin zum Wagen zurück und machte mich ans Staubwischen. Ihre Fingerabdrücke waren legitim, meine dagegen weniger angebracht, andererseits aber auch nicht polizeilich registriert. Raffiniert und absolut professionell erschien mir eine falsche Fährte. Hatte ich etwas bei mir, was sich dafür eignete? Ich öffnete die Handtasche, und mir fiel mein Taschenkamm in die Hände, mit dem ich den langhaarigen Andy bearbeitet hatte. Ich verteilte mit Bedacht einige Haare im Raum. Laut DNA-Analyse würde man schnell feststellen, daß sie von einem Mann stammten. Und sicherlich fiele der Verdacht nie im Leben auf einen unbescholtenen Taxifahrer aus Darmstadt.
Als ich die Treppe hinunterging, begegnete mir ein Herr.
Er sah mich kurz an und lächelte freundlich. Auf den ersten Blick hatte ich ihn nicht erkannt, denn er wirkte nicht mehr ganz so attraktiv wie auf den Fotos. Sein Gang war zwar federnd und elastisch, der Körperbau zeugte von Kraft und Geschmeidigkeit, aber der Kopf hatte etwas von einem Vogel Strauß, war klein und schwankte wie ein Metronom auf langem Hals. Als ich kapierte, daß diese grauen eindringlichen Augen zu Erik gehörten, blieb mir fast das Herz stehen.
Zum Glück konnte er keine Ahnung haben, wer ich war, und mochte annehmen, ich hätte im obersten Stockwerk eine Freundin besucht.
Unten im Auto wartete Kathrin und polierte mit ihrem Taschentuch den Rückspiegel. »Hat er dich gesehen?« fragte ich erregt.
Sie machte große Augen und bekam einen nachträglichen Schock, als sie erfuhr, daß ich Erik auf der Treppe getroffen hatte. Er habe sie allerdings kaum entdecken können, da er im allgemeinen in der Tiefgarage parke und aus einer anderen Richtung komme.
»Wer besitzt außer dir noch einen Schlüssel?« fragte ich, denn es mußte ja schließlich auffallen, daß weder Haus- noch Wohnungstür aufgebrochen war.
»Die Putzfrau«, hauchte Kathrin.
Nach eingehender Befragung meinerseits besann sie sich immerhin, daß diese Frau jeden Nachmittag in einer nahegelegenen Grundschule die Turnhalle wischte.
Wir steuerten sofort das Schulgelände an. »Mich kennt sie«, flüsterte Kathrin, »aber dich hat sie noch nie gesehen.
Es arbeiten mehrere Raumpflegerinnen dort, ich mußte einmal hingehen, um Emine etwas auszurichten.«
Nicht wie eine Diebin, sondern selbst- und zielbewußt betrat ich die Schule durch eine Seitentür. Im ersten Zimmer unterhielten sich Handwerker bei einer Bierpause, und da war zu meiner Erleichterung auch ein Trupp Putzfrauen.
Ich erkannte den Hausmeister an seiner gebieterischen Haltung.
»Suche Se was?« fragte er.
Ich behauptete, mein Sohn habe am letzten Schultag seinen Turnbeutel vergessen.
»Gucke Se mal do«, sagte er und wies auf einen Abstellraum, »do duhn die Fraue als emol die gefunnene Sache hinleche, neulich war's en Dräningsaazuch. Se sollte de Bub awwer net so verwöhne, der soll ruhig selwer komme.«
Er blieb hinter mir stehen, und ich blickte angestrengt umher. Beim besten Willen konnte man zwischen all den Bierkästen, Eimern, Besen und Dosen mit Scheuerpulver keinen Turnbeutel ausmachen, dafür hingen einige Kittelschürzen, ein langer grauer Staubmantel und ein grüner Anorak am Garderobenhaken. Ich dankte und ging, schlich mich aber am Ausgang wieder zurück und verbarg mich in der Mädchentoilette. Schließlich hörte ich den Hausmeister ins Lehrerzimmer gehen und dort nicht gerade freundlich mit einer Frau sprechen. Ich huschte aufs neue in die Besenkammer, tastete die Taschen aller Kleidungsstücke nach Schlüsseln ab und wurde fündig.
Erst im Auto und zwei Straßen weiter verglichen wir die Fundstücke mit Kathrins Original. »Komm«, sagte ich, »das
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