Sengendes Zwielicht - Lady Alexia 05
dass ihr Rudel unter seiner Entscheidung gelitten hatte.
»Wird das auch mein Schicksal sein?«, fragte sie. »Völlig geistesgestört und grausam zu werden? Droht dem armen alten Gramps dasselbe Schicksal?«
»Nicht alle Alphas werden wie Lord Woolsey. Er hatte diese Neigungen bereits vorher, nur handelte er, als er noch bei geistiger Gesundheit war, mit der Einwilligung seiner Partner. Trösten Sie sich, Mylady – die meisten Alphas sterben vorher.«
»Oh, da bin ich aber sehr dankbar! Wirklich tröstlich. Und was jetzt, Professor?«
»Nun, auf eine seltsame Weise bin ich froh darüber, dass es ans Licht gekommen ist. Aber Lord Maccon wird mir niemals verzeihen oder jemals wieder vertrauen. Ich nehme an, Sie haben ihm die Einzelheiten geschrieben?«
»Oh, aye.«
»Arme Lady Maccon. Sie wollte mein Geheimnis nicht für sich behalten.«
»Wollen Sie sagen, dass Sie bereit sind, Wiedergutmachung zu leisten?« Lady Kingair sah mittlerweile weniger wütend und eher nachdenklich aus, als sie Professor Lyall aus halb geschlossenen Augen musterte.
Biffy, der diesen Blick alarmierend fand, lehnte sich ein wenig stärker an seinen Beta. Er genoss die Nähe und fühlte sich dabei merkwürdig.
Professor Lyall drückte beruhigend seine Schulter. »Natürlich.«
»Und Sie wissen auch, was ich von Ihnen verlange?«
Der Beta nickte mit resignierter Miene.
Lady Kingair holte tief Luft und blickte von oben herab auf den schmächtigen, rötlich blonden Gentleman hinunter. Und Professor Lyall war immer noch ein Gentleman, erkannte Biffy, selbst ohne einen Fetzen Kleidung am Leib, auf dem Fußboden eines Lagerraums hockend.
»Ich denke, Kingair braucht im Augenblick gerade einen neuen Beta.«
»Nein!« Biffy konnte seinen Aufschrei nicht unterdrücken. Er zuckte von Lyall zurück und wandte sich zu ihm um.
Professor Lyall nickte nur.
»Und Sie sind trotz all Ihrer manipulativen Machenschaften einer der Besten. Vielleicht gerade deswegen.«
Professor Lyall nickte erneut.
»O nein«, rief Biffy. »Sie können uns nicht im Stich lassen! Was soll denn ohne Sie aus uns werden?«
Professor Lyall sah ihn mit einem leichten Lächeln an. »Oh, aber Biffy, ich bin sicher, Sie werden das sehr gut hinkriegen.«
»Ich?«, quiekte Biffy.
»Natürlich. Sie haben das Zeug zu einem ausgezeichneten Beta.«
»Aber ich … ich …«, stotterte Biffy.
Lady Kingair nickte. »Das wird vollauf genügen. Jetzt machen Sie sich keine Sorgen, Welpe, wir werden ihn nich’ ewig behalten – nur bis wir einen Besseren finden.«
»Es gibt keinen Besseren«, sagte Biffy mit vollster Überzeugung.
Sie wurden von einem Klopfen an der Tür unterbrochen. Haverbink streckte unaufgefordert den Kopf herein.
»Hatte ich Ihnen nicht befohlen, draußen zu bleiben?«, fragte Professor Lyall seelenruhig.
»Jawohl, Sir, aber es war so ruhig, dass ich mich vergewissern wollte, dass Sie alle noch am Leben sind.«
»Wie Sie sehen. Und?«
»Und eine riesige vergoldete Kutsche ist soeben draußen vorgefahren. Lord Akeldama sendet sie mit seinen besten Wünschen.« Haverbink brachte ein blassviolettes Papier zum Vorschein. Fliederduft wehte ins Zimmer. »Er sagt, Sie würden eine schöne Fahrt im Dunklen zurück nach Hause brauchen, um ein wenig Schlaf zu bekommen, und warum Sie flauschigen Schätzchen überhaupt noch unterwegs sind?«
»Wie konnte er denn wissen, dass es nötig sein könnte, uns so etwas zu schicken? Er dürfte sich doch selbst bereits in tiefer Bewusstlosigkeit befinden.« Lyall blinzelte leicht verwirrt und sah Biffy nach einer Erklärung suchend an.
»Er dürfte seinen Drohnen die Anweisung gegeben haben.«
Lady Kingair stieß ein abfälliges Schnauben aus. »Immer diese neugierigen Vampirnachbarn!«
Später konnte Biffy sich nur noch schwach an ihre Heimfahrt erinnern und daran, wie er und Professor Lyall sich vor Erschöpfung gegenseitig gestützt hatten, als sie ins Haus und die Treppe hochgetorkelt waren. Aber er erinnerte sich noch ganz genau an das Gesicht des Betas, einen einzigen jähen Blick, als sie die Tür seines Zimmers erreichten. Es war ein beinahe ängstlicher Blick, ein Blick, den Biffy kannte. Er konnte nicht zulassen, dass jemandem durch Einsamkeit der Seelenfrieden geraubt wurde, also fragte er: »Hätten Sie gern noch Gesellschaft, Professor?«
Professor Lyall sah ihn an, und Verzweiflung lag in seinen haselnussbraunen Augen. »Das hätte ich nicht … Das heißt, ich könnte nicht … Das heißt, ich
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