Sengendes Zwielicht - Lady Alexia 05
Es war eine Aufzeichnung der modernen Geschichte Ägyptens in leuchtenden Farben und perfektem Detail. Die mit Tournüren bewehrten Europäerinnen, die Männer in britischen Uniformen und die Kriegsschiffe waren in dem unbeholfen kindlichen Stil von Papyrusgemälden dargestellt, was überaus seltsam wirkte.
Auf den Diwanen saßen düster wirkende junge Leute. Es musste sich um die Drohnen der Vampire handeln. Sie trugen die Kleidung der Einheimischen, aber Alexia bemerkte voller Interesse, dass sowohl die Männer als auch die Frauen ihre Köpfe nicht bedeckt hatten, was dem widersprach, was sie bisher von diesem Land gesehen hatte. Sie nahm an, dass sie dadurch zum Ausdruck brachten, die einheimische Religion zugunsten ehrfurchtsvoller Loyalität ihrer Königin und ihrem Stock gegenüber abzulehnen.
Direkt gegenüber dem Durchgang befand sich etwas, das wie ein großer Sonnenschirm aussah. Er hing von der Decke, und an seinen Rändern befanden sich lange Bahnen aus Seidenstoff. Diese farbenprächtigen und auffallend schönen Vorhänge bildeten eine Art Zelt, das gerade groß genug war, dass eine Person darin stehen konnte. Alexia war sich sicher, dass derjenige, wer auch immer sich darin befinden mochte, jede ihrer Bewegungen beobachtete.
Auf der einen Seite dieses verhüllten Parasols saßen vier Vampire. Es bestand nicht der geringste Zweifel daran, dass sie tatsächlich Vampire waren, denn anders als englische Vampire zeigten sie all ihren Gästen die Fangzähne. Die Vampire in London entblößten ihre Zähne selten, schon erst recht niemandem, der ihnen vorher nicht vorgestellt worden war.
Auf der anderen Seite des Parasols saß ein weiterer Vampir, zu dem sich Kanzler Neshi gesellte.
Nachdem sie die merkwürdige Gruppe, bestehend aus Adeligen und übertrieben gekleideten Schauspielern, einen Augenblick lang stumm betrachtet hatten, erhoben sich alle sechs Vampire.
»Das Haus Alexandria in seiner Gesamtheit«, flüsterte Lord Maccon seiner Frau zu.
»Es ist uns eine Ehre«, flüsterte seine Frau zurück.
Eine betörend schöne Drohne trat vor und schritt mit fließender Anmut durch den weiten, leeren Raum auf sie zu, um dann ein paar Schritte vor ihnen stehen zu bleiben. Ihre Züge waren kräftig, ohne dabei männlich zu wirken, ihre Augenbrauen schwer, der Mund üppig und ihre Lippen mit geübter Kunstfertigkeit dunkelrot gefärbt. Sie trug weite schwarze Hosen, die sich aufplusterten und dann an den Knöcheln wieder eng wurden. Darüber befand sich eine lange schwarze, an Armen und Oberkörper eng anliegende Tunika mit breiten Stoffstreifen an den Handgelenken und am Saum, die die Hüften fließend umspielte wie die Frackschöße eines Gentlemans. Die weiten Stoffstreifen der Tunika und die Pluderhose waren mit goldenen Blättern gemustert, zudem trug die Drohne jede Menge Goldschmuck an Fingern, Handgelenken, Hals, Knöcheln und Zehen.
»Willkommen im Haus Alexandria«, sagte sie in perfektem, akzentfreiem Englisch und machte eine anmutige Geste mit den Armen wie eine Tänzerin. Der Blick ihrer großen dunklen Augen, die stark mit Schwarz umrandet waren, schweifte über die Gruppe von Schauspielern vor ihr.
»Lord und Lady Maccon?«
Alexia hätte am liebsten die Hand ihres Gatten ergriffen, aber sie dachte sich, dass er seine übernatürlichen Fähigkeiten jeden Augenblick benötigen könnte. Also rückte sie nur Prudence energischer auf ihrem Arm zurecht, wobei sie ein eigenartiges Gefühl des Trostes aus der Gegenwart ihres Kindes zog, dann trat sie vor. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Conall sich ebenfalls aus der Gruppe löste.
Die dunkeläugige Drohne kam näher und sah dabei zuerst Conall an. »Lord Maccon, willkommen in Alexandria. Es ist schon viele Jahrhunderte her, dass ein Werwolf diesen Stock besuchte. Wir hoffen, dass es nicht erneut so lange dauern wird, bis uns der nächste mit seiner Anwesenheit beehrt.«
Lord Maccon machte eine Verbeugung. »Das hängt ganz vom Verlauf des heutigen Abends ab«, antwortete er ohne jedes Taktgefühl.
Die Drohne neigte den Kopf und richtete ihre dunklen Augen dann auf Alexia. »Lady Maccon, Seelensauger. Sie sind ebenfalls willkommen. Wir beurteilen die Tochter nicht nach den Taten des Vaters.«
»Nun, dafür möchte ich mich bedanken, insbesondere da ich ihn nie kennengelernt habe.«
»Und ist das das Kind?«
Prudence war wie gebannt von der schönen Drohne. Vielleicht lag es an all dem goldenen Gefunkel und dem Schmuck oder an ihren
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