Sengendes Zwielicht - Lady Alexia 05
nicht auch noch Folge leisten!«
Prudence hatte nichts von der gesitteten Zurückhaltung ihrer Mutter. Ihres gelben Rüschenkleidchens ungeachtet schnellte sie nach vorn und legte voller Eifer die Stirn auf den Boden.
Mit dem Gefühl, die letzte Bastion des Anstands zu sein, funkelte Alexia ihren Gatten finster an. »Du wirst mir wieder aufhelfen müssen. Ich kann das unmöglich allein schaffen, ohne mir das Kleid zu zerreißen.« Mit diesen Worten kniete sie sich hin und neigte sich so weit vor, wie ihre stützende Kleidung es erlaubte, was nicht sehr weit war. Beinahe wäre sie umgekippt. Ihr Korsett knirschte unter der Belastung.
Conall hievte sie wieder hoch, wodurch er diesen einen Augenblick lang menschlich wurde.
Kanzler Neshi trat neben seine Königin und stieg auf ein kleines Podest, das gerade die richtige Höhe hatte, dass er sein Ohr an den Bereich ihres Mundes bringen konnte, ohne über sie hinauszuragen. Die Vampirkönigin flüsterte ihm etwas zu. Alexia sah ihren Gatten neugierig an und fragte sich, ob er mit seinem übernatürlichen Gehör wohl etwas davon verstehen konnte.
»Keine Sprache, die ich kenne«, raunte er wenig hilfreich.
»Die Königin sagt, dass Europäer alles falsch machen. Sie schreiben von links nach rechts und entblößen den Kopf, wenn sie einen Raum betreten, lassen aber ihr Schuhwerk an den Füßen.« Kanzler Neshi stand mit steifer Haltung da wie ein Stadtausrufer, während er dies verkündete und als Sprachrohr seiner Königin fungierte. Dann, ohne eine Antwort auf diese Anschuldigung abzuwarten, drehte er sich um, um noch einmal zu lauschen.
»Meine Königin wünscht zu wissen, warum alle ausländischen Kinder gleich aussehen.«
Alexia deutete mit der freien Hand auf ihre Tochter, die ungewöhnlich fügsam neben ihr stand. »Nun, dieses spezielle Kind hier ist Prudence Alessandra Maccon Akeldama.«
»Nein«, sagte Prudence, doch niemand hörte auf sie. Prudence sollte noch feststellen, dass dies in ihrem jungen Leben nur allzu häufig der Fall sein würde.
Kanzler Neshi sprach weiter für seine Königin. »Tochter eines Höllenhundes, benannt nach einem Seelensauger und einem Blutsauger. Die Königin wünscht zu wissen, ob sie funktioniert.«
»Wie bitte?« Alexia war verwirrt.
»Ist sie eine Nachfolgerin von Set? Ein Stehler der Seelen?«
Lady Maccon dachte nach. Das war natürlich eine angemessene Frage, aber Alexia war zu sehr Wissenschaftlerin, um sie zu bejahen. Stattdessen meinte sie vorsichtig: »Sie erlangt die Fähigkeiten eines übernatürlichen Geschöpfes, nachdem sie es berührt hat, falls es das ist, was Sie wissen wollen.«
»Ein einfaches Ja hätte vollauf genügt, Seelensauger«, entgegnete der Kanzler.
Lady Maccon sah Königin Matakara fest in die traurig blickenden Augen. »Ein einfaches Ja hätte aber nicht der Wahrheit entsprochen. Haben Sie meine Tochter und mich hergebeten, ehrwürdige Königin, nur um uns zu beleidigen?«
Kanzler Neshi beugte sich vor, um zu lauschen, dann schien es eine kurze Diskussion zu geben. Schließlich sagte er: »Meine Königin wünscht, dass man ihr die Wahrheit demonstriert.«
»Welche Wahrheit genau?«
»Die Gabe Ihrer Tochter.«
»Oh, jetzt warten Sie mal einen Augenblick!«, warf Conall ein.
»Das könnte knifflig werden«, meinte Alexia ausweichend.
Königin Matakaras Finger zuckte auf der Armlehne des Throns, was für einen Sekundenbruchteil einen kleinen Funken aufleuchten ließ. Dies schien ein Signal zu sein, denn einer ihrer Vampire schoss vorwärts und hob Prudence mit einer blitzschnellen, geschmeidigen Bewegung hoch. Prudence ließ die Hand ihrer Mutter los, blieb ansonsten aber ungerührt.
Alexia stieß einen Wutschrei aus. Der fragliche Vampir jedoch ließ die Kleine sofort los, da er seine übernatürliche Kraft, die er zweifellos bereits seit Jahrzehnten genoss, völlig unerwartet verloren hatte. Er hätte Prudence sicherlich trotzdem festhalten können, aber die Überraschung war einfach zu überwältigend. Seine Fangzähne verschwanden.
Prudence fiel mit einem dumpfen Plumps auf den Boden, aber da sie nun unsterblich war, verletzte sie sich nicht. Sie sprang wieder hoch, entblößte kleine Fangzähnchen und streckte die Patschehändchen aus. Der Bronzestuhl mit all seinen Schaltern und Hebeln faszinierte sie, und Prudence war jemand, der erst grabschte und erst später Fragen stellte. Viel später, vielleicht wenn sie größer war und eine vollständige Studie abfassen konnte.
Die
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