Sengendes Zwielicht - Lady Alexia 05
mitten am Nachmittag. Das Licht, das zwischen die Säume der schweren Vorhänge fiel, war satt und golden. Prüfend betrachtete sie das Gesicht ihres schlummernden Gatten, gut aussehend und unschuldig im Schlaf. Mit der Fingerspitze zog sie sein schönes Profil nach und kicherte, als er bei der vertrauten Berührung ein kleines, schnaubendes Schnarchen von sich gab.
Manchmal erlaubte sie es sich, in der rührseligen Gewissheit zu schwelgen, dass dieser wunderbare Mann, so überheblich, unmöglich und werwölfisch er auch sein mochte, ihr gehörte. Niemals in ihrem früheren Dasein als alte Jungfer und gesellschaftliche Außenseiterin hätte sie sich das träumen lassen.
Sie hatte gedacht, dass sich vielleicht irgendein netter, bescheidener Wissenschaftler dazu bewegen lassen würde, sie zur Frau zu nehmen, oder ein mittlerer Angestellter, aber dass es ihr gelungen war, sich diesen Mann an Land zu ziehen …
Ihre Schwestern mussten sie wirklich beneiden. Alexia hätte sich selbst beneidet, wäre das nicht logistisch eher kompliziert gewesen. Sie gab ihrem Mann einen Kuss auf die Nasenspitze und kletterte aus dem Bett, begierig darauf, Ägypten bei Tageslicht zu erkunden.
Allerdings sollte sie das Vergnügen einer solchen Erkundungstour nicht allein genießen. Die Gentlemen lagen noch im Bett, aber Mrs Tunstell, das Kindermädchen und die Kinder waren bereits wach und genossen ihren Kaffee im zur Kinderstube umfunktionierten Hotelzimmer.
»Mama!«, erklang Prudence’ aufgeregter Schrei, als sie Lady Maccon im Türrahmen erblickte. Sie rutschte von ihrem Stuhl herunter und tapste aufgeregt zu ihr. Alexia bückte sich, um sie hochzuheben. Prudence nahm den Kopf ihrer Mutter zwischen die kleinen Patschehändchen und richtete so ihre Aufmerksamkeit auf ihr eigenes entschlossenes Gesichtchen. »Tunstellinge! Albern«, erklärte sie. »Ääägyptenn!«
Alexia nickte leicht. »Da stimme ich dir in allen Punkten zu, mein Liebling.«
Prudence starrte mit tiefem Ernst in die braunen Augen ihrer Mutter, als versuchte sie zu erkennen, ob Alexia den wichtigen Details der Angelegenheit auch genügend Aufmerksamkeit schenkte. »Gut«, sagte sie schließlich. »Los, los, los.«
Mrs Tunstell hatte sich höflich zurückgehalten, während sich Lady Maccon ihrem Kind widmete. Nun sagte sie: »Alexia, meine Liebe, denkst du vielleicht gerade dasselbe, was ich denke?«
Alexia antwortete ohne zu zögern: »Meine liebe Ivy, das bezweifle ich sehr.«
Ivy fühlte sich nicht beleidigt, vermutlich, weil sie die Beleidigung, die in Alexias Antwort lag, gar nicht bemerkte. »Wir haben einen kleinen Spaziergang durch die Stadt in Betracht gezogen. Wärst du interessiert, dich uns anzuschließen?«
»Oh, aber in der Tat. Hast du deinen Baedeker? Ich muss so etwa gegen sechs Uhr beim örtlichen Äthografen sein.«
»Oh, musst du etwas Wichtiges übermitteln? Wie aufregend!«
»Ach, nichts von Bedeutung, nur eine Sache der Koordination. Du hast nichts dagegen, wenn wir das zu einem der Ziele unseres Ausflugs machen?«
»Aber gewiss nicht. Frische Luft zu schnappen ist so viel erfreulicher, wenn man eine Aufgabe hat, findest du nicht auch? Ich habe einen Esel bestellt. Ist es zu glauben, dass es in diesem Teil der Welt keine Kinderwägen gibt? Wie transportieren sie hier nur stilvoll ihre Kinder?«
»Offensichtlich auch mit Eseln.«
»Das«, erklärte Ivy höchst entschieden, »ist nicht stilvoll!«
»Ich dachte, wir könnten Primrose und Percival in diese entzückenden kleinen Seitenkörbe stecken, und Prudence hier könnte es vielleicht gefallen, auf einem der Tiere zu reiten.«
»Nein!«, sagte Prudence.
»Ach, komm schon, Liebling«, tadelte ihre Mutter. »Du entstammst einer langen Ahnenreihe der besten Reiterinnen. Zumindest rede ich mir das gern ein. Du solltest damit anfangen, solange du noch jung genug bist, ohne Damensattel reiten zu können.«
»Pffff«, machte Prudence.
Ein höfliches Klopfen erklang an der Tür, dann streckte Madame Lefoux den Kopf herein. »Meine Damen …« Sie lüpfte ihren eleganten grauen Zylinder. »Und Percy«, fügte sie hinzu, als ihr einfiel, dass zumindest einer von ihnen ein sehr junger Gentleman war.
Percy rülpste sie an. Primrose wedelte mit den Armen herum. Prudence nickte höflich, ebenso wie Alexia und Ivy.
»Madame Lefoux«, sagte Mrs Tunstell. »Wir wollten gerade zu einer Erkundungsexpedition durch die Metropole aufbrechen. Möchten Sie sich uns anschließen?«
»Ach, meine
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