Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
ja, wie denn auch? Bei gerade mal zwei Silben?
    >Ich bin's<, wollte ich gerade antworten, doch Scuzzi kam mir zuvor.
    »Ich bin's«, raunte er, »Scuzzi.«
    Ein, zwei, drei Riegel schnackten, bevor die Tür mit einem schabenden Geräusch ein Stück weit aufging. Ein kleines Stück. Ein Auge erschien in der entstandenen Öffnung.
    »Ah, Pierfrancesco, mio amico tedesco a nome italiano«, machte die tiefe Stimme, jetzt ohne Akzent, soweit ich das beurteilen konnte, »come stai?«
    »Tach auch«, antwortete mein Freund, der seinen Namen einer Blitzhochzeit, dicht gefolgt von einer väterlichen Blitzabreise, verdankt und dessen Italienisch gerade gut genug ist, um >molto bene< mit >schöne Beine< zu übersetzen.
    »Und waas iste daas?«, fragte die Stimme mit stark italienischem Akzent und meinte mich damit.
    »Ich bin's«, sprach ich das magische Passwort und versuchte, nicht allzu grantig darüber zu klingen, gerade zum Neutrum deklariert worden zu sein. Ich schob es auf die Schwierigkeit der deutschen Sprache. Es sollte nichts nutzen. Das Passwort, meine ich. Ich bekam eine Handfläche gezeigt und ein halbes Kopfschütteln zu sehen, und dann wurde Scuzzi ins Innere gezogen, und ich konnte ihm gerade noch »Sag nichts, hörst du? Komm einfach schnell wieder raus!« hinterherrufen, dann schloss die Türe unter Schaben und Riegelschnacken, und ich stand allein. Im Dustern. Im Regen. Nicht ganz sicher, woher es ging, zurück zum Auto. Zutiefst erfüllt von dem dringenden Wunsch, irgendjemand Schmerzen zuzufügen. Ganz kurz davor, richtig schön abzukassieren, und doch so ... skeptisch. Ganz kurz davor, das heißt gar nichts. Überhaupt nichts.
    Die Tür ging auf, und ein frischgeschrubbt und noch ungefickt wirkender Jungbulle kam wichtig herein und überreichte Menden einen weiteren dünnen, diesmal lachsfarbenen Schnellhefter. Bevor er sich wieder trollte, bestaunte er mich einmal von oben bis unten. In einer Stadt, in der es Gartenschuppeneinbrüche und abgeknickte Autoantennen bis in die Tageszeitung bringen, sind des Mordes Verdächtigte richtig schwere Kaliber, die den Adrenalinspiegel des gesamten Polizeiapparates heben. Ich schenkte dem Nachwuchs ein schmales, manisches Hanni
    bal-Lecter-Lächeln, und er schien mich für einen Maulkorb vorzumerken, bevor er sich endlich um die Türe herumdrückte und verschwand.
    »Wer«, fragte Menden und hob seinen zigarrenascheblassen Blick von seiner Lektüre, »ist Kim Vladensk?«
    Ich hopste, innerlich. Kim! Nicht zu wissen, wo sie sich im Moment herumtrieb, was sie im Moment so trieb, und dann die Erwähnung ihres Namens unter diesen Umständen, gänzlich unerwartet und während eines Verhörs, stach mich, stach mich tief und spitz.
    »Woher -?«, begann ich.
    »Antworte!«, unterbrach mich Hufschmidt, und »Fingerabdrücke«, antwortete Menden ruhig und drehte mir den Ordner zu. Ich sah, ganz recht, Fingerabdrücke, umgeben von mit Pfeilen versehenen handschriftlichen Vermerken und auf der Seite gegenüber etwas, das man wohl als Aktenauszüge bezeichnen muss.
    Wie mochte Kim in ihr Register geraten sein, fragte ich mich. Und wie hatte es Scuzzi bis heute geschafft, sich draußen zu halten?
    »Sie hat mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun.«
    »Das entscheiden wir«, schnappte Hufschmidt. »Sag uns lieber, wo sie sich versteckt hält, denn zu Hause ist sie nicht.«
    »Sie hält sich nicht verst ...«
    »Also, wo ist sie dann? Spucks aus, jetzt, jetzt sofort, oder ich setze sie noch in dieser Minute auf die Fahndungsliste und lasse sie in Handschellen vorführen!« Und er griff nach dem Telefonhörer.
    Moment mal, dachte ich, momentan schwindelig, was geht hier ab?
    »Schon weg«, sagte Scuzzi, ehe ich auch nur Zeit zum Fragen gefunden hatte.
    »Wie, schon weg?«, fragte ich.
    »Ja, schon weg eben«, vervollkommnete er einen archetypischen Niederrhein-Dialog und winkte mir ungeduldig, ihm zu folgen. Wir umrundeten ein paar Mauerreste, stiegen über eine Rohrleitung, zwängten uns durch ein Loch im Zaun und standen am Ausgangspunkt der ganzen Aktion. Ohne zu stolpern, ohne nächtliche Kreaturen aufzuscheuchen, ohne uns den Schädel einzurennen, ohne in gähnende Abgründe zu schauen. Ich hätte mich freuen sollen, doch innerlich war mir weiterhin danach, Scuzzi zu kicken.
    »Die Karten liefen nicht nach seinem Geschmack, also hat er eingepackt und ist weitergezogen. Sascha spielt, um zu gewinnen«, sagte er, als sage das alles.
    Scheiße, dachte ich. Und jetzt?, dachte

Weitere Kostenlose Bücher