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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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ich.
    »Doch ich weiß, wo er hin ist«, sagte Scuzzi, und wir schlitterten den Hang hinunter.
    »Wohin?«, fragte ich und ließ den Starter jammern. Im Rückspiegel sah ich meinen Begleiter seinen Daumen anlecken und mit flinken Fingern ein paar Scheine durchzählen. Zumindest für einen von uns war der Besuch der Ibing-Brauerei nicht völlig umsonst gewesen.
    »Bochum.«
    Ich wendete, trat drauf und ging im Kopf die Route durch. Sie führte praktisch an der >Endstation< vorbei. Da konnte ich auch eben das Mistvieh füttern. Manche Leute sollen es geschafft haben, ihre Katze an eine Mahlzeit pro Tag zu gewöhnen. Bei uns war es umgekehrt. Ah, verdammt! Ich hatte nur noch das dröge Zeugs, das sie nur unter Protest zu sich nimmt und mir anschließend immer in die Schuhe oder auf den Stuhl kotzt. Am ersten Kiosk unterwegs hielt ich deshalb an. Man ist ja immer wieder erstaunt, was die so alles führen.
    »Was ist?«, wollte Scuzzi wissen.
    »Katzenfutter«, sagte ich. »Und Kippen.« Die Camels waren fast alle, und es sah plötzlich - ich weiß nicht, wieso - nach einer langen Nacht aus.
    »Ah, gut«, machte er erfreut und stieg mit aus.
    Ich klingelte am Schalter. Das Schiebefenster tat sich auf und eine rabenschwarze, nicht dicke, nicht pummelige, sondern runde Asiatin blickte hinaus. Nicht rundlich. Rund. Sie war so gedacht. Und zum Anbeißen hübsch dabei.
    »Ja bitte?«, fragte sie - Scuzzi. Ich drehte mich leicht genervt zu ihm um, als er mit großer Selbstverständlichkeit eine Flasche Calvados bestellte.
    Oh, Calvados sei leider aus, wurde ihm mit äußerstem Bedauern und flatternden Wimpern beschieden.
    »Was ist mit Katzenfutter?«, fragte ich dazwischen.
    Doch Cognac wäre da. Mit einem Lächeln, dem ich eine Flasche Diesel abgekauft hätte. Und getrunken, wahrscheinlich.
    Scuzzi ließ sich die verschiedenen Marken und Flaschengrößen vorführen und studierte kritisch die Etiketts, ehe er sich nur halb überzeugt für fast ein Dutzend kleiner Chantre-Fläschchen entschied.
    »Und was ist mit Katzenfutter?«, fragte ich.
    Ja, Katzenfutter habe man auch, erfuhr mein Begleiter.
    So ist das immer mit dem. Er kann in eine Metzgerei kommen, Samstag morgens, die Theke drei Reihen tief belagert von Stammkundinnen, jede Einzelne davon mit einer Einkaufsliste, aus der sich mit ein bisschen Geschick ein halbes Schwein rekonstruieren ließe, unser Pierfrancesco ist noch nicht ganz durch die Türe, und drei Verkäuferinnen blicken ihn gleichzeitig an und zwitschern wie aus einem Mund: »Sie wünschen?«
    Versteh mir einer die Frauen. Ist doch nichts dran, an dem windigen kleinen Scheißer.
    »Manchmal versteh ich dich nicht«, sagte Scuzzi. »Warum müssen wir ausgerechnet jetzt die Katze füttern? Ich dachte, du kannst sie noch nicht mal leiden? Du sprichst nie anders von ihr als immer nur von dem >Mistvieh<. Hat sie überhaupt einen Namen?«
    Ich knurrte mir etwas in den Bart.
    »Was? Was war das? Ich habe nicht verstanden? Wie heißt sie? Komm, du willst nur nicht zugeben, dass du sie heimlich >Maunzerle< nennst.«
    Ich schnaubte. »Wenn überhaupt, heißt sie >Das Schwarze Aas<.«
    »Und warum müssen wir sie ausgerechnet jetzt füttern?« »Weil sie sonst so ein Theater macht.« »Und? Stört doch keinen.«
    »Doch. Nebenan in der Kleingartenanlage haben sie ein paar fanatisierte Tierfreunde. Wenn die meinen, ich füttere das Biest nicht oft genug, entführen sie sie mir und geben sie zum Catsitters Club.«
    »Und du bist sie los. Das ist es doch, was du eigentlich willst, oder?«
    »Schon, aber die vermitteln sie nachher weiter an so ein schwachsinniges Rentnerpaar, die dann nur noch von trocken Brot und Dosensuppe leben, um ihr in Blattgold verpackte Haustier-Delikatessen kaufen zu können.«
    »Kann dir doch wurscht sein.«
    »Ja, schon. Sicher. Aber sieh mal: Ihr, ihr würde das phantastisch gefallen. Und das, das«, ich suchte nach Worten, immer schwierig, wenn man Uneingestandenes eingestehen soll, »das . .. das gönne ich ihr nicht!«
    Drago stand vor der Türe der >Endstation<, schwarze Jeans, schwarzes T-Shirt, beides wie aufgemalt, atmete die gute Luft in Mengen und ließ die Welt wissen, dass Frösteln nur was für Blutarme und andere Schwächlinge ist.
    »Oh, kuck mal«, flötete Scuzzi, »Karate-Ken!« Er kann Veronika nicht leiden, weil sie ihn, wie er sagt, zu sehr an eine Barbie-Puppe erinnert, und er konnte Drago noch nie ab, und nicht erst, seit der ihm, als Teil seiner persönlichen

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