Sensenmann
zusammengearbeitet!«
»Sehr gut.« Das erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass der Mann auch private Details über seinen ehemaligen Arbeitskollegen kannte. »Darf ich Ihnen ein paar Fragen zu ihm stellen?«
»Warum denn das?« Rechts hinter Herrn Petermann öffnete sich eine Tür, und ein zweiter Mitarbeiter erschien. Auch er trug einen grauen Kittel. Bei ihm war »F. Häuser« eingestickt. Mit fragendem Blick sah er zuerst zu Lara und dann auf seinen Kollegen, der sich beeilte zu erklären, dass die junge hübsche Frau von der Tagespresse käme. Im vorderen Raum ertönte die Türklingel, und der zweite Arbeiter verschwand mit einem Nicken in Richtung Laden. Lara sah ihm einen Moment lang nach und entschied sich für die Wahrheit. Oder zumindest für einen Teil der Wahrheit. »Erinnern Sie sich an den Leichenfund von letztem Montag in Grünau?«
»Da hab ich was drüber gelesen.«
»Der Tote war Rainer Grünkern, Ihr ehemaliger Kollege. Ich recherchiere für einen Artikel.«
» Rainer war das? In den Nachrichten im Radio haben sie nie
einen Namen erwähnt. Da konnte ich doch nicht ahnen, dass …« Er brach ab. »Ich glaub’s nicht. Komm mal her, Frieder! Das musst du dir anhören!«
Aus dem Verkaufsraum kam ein gemurmeltes »Wart mal«, dann dudelte erneut die Türklingel, und der Gerufene erschien. Nachdem »M. Petermann« seinem Kollegen die brisante Neuigkeit im Telegrammstil erzählt hatte, zog dieser sich einen Stuhl heran und setzte sich dazu. Es dauerte keine zehn Minuten, bis die beiden Lara mit ausgiebigen Informationen versorgt hatten. Sie kam kaum mit dem Mitschreiben nach, so schnell schossen sie Hinweise heraus. Dummerweise hatte sie ihr Diktiergerät daheim liegenlassen.
Rainer Grünkern war geschieden – laut seinen ehemaligen Kollegen »lange vor der Wende« – und hatte keine Kinder. Jedenfalls keine, von denen die beiden Kenntnis hatten. In seiner Freizeit hatte er viel Sport getrieben und war ab und zu mit den Kollegen einen trinken gegangen. Nach seinem Ausscheiden hatten sie den Kontakt zu ihm verloren. Rainer Grünkern war ihrer Ansicht nach kein besonders geselliger Mensch. Es gab keinerlei Anhaltspunkte für Abnormitäten. Von einer Vorliebe für Pornografie oder gar einer Neigung zu Kindern war keine Rede, und Lara traute sich auch nicht, gezielt danach zu fragen.
»Wissen Sie denn, was Ihr Kollege vor der Wende gemacht hat? Soviel ich gehört habe, war er als Lehrer tätig?«
»Nee, Lehrer war der nicht.« M. Petermann grinste. »Aber so was Ähnliches. Ich glaube, Erzieher.«
»Erzieher, ich verstehe. Das ist ja nicht viel anders.« Lara schrieb das Wort in ihr Notizbuch. »Wissen Sie auch, wo er tätig war?«
»Viel hat er nicht aus der Zeit erzählt. War wohl nicht so ganz einfach damals.« F. Häuser kratzte sich hinter dem Ohr. »Wenn ich mich richtig entsinne, war es ein Kinderheim. Irgendwo in der Nähe von Zwickau.«
Lara fügte ihren Aufzeichnungen »Kinderheim« und »nahe Zwickau« hinzu und starrte einen Augenblick auf die Buchstaben. »Haben Sie eine Ahnung, wo das genau war?« Beide Männer zuckten die Schultern. »Na gut, vielen Dank. Das hat mir schon geholfen.« Lara packte Buch und Stift weg und erhob sich.
»Was ist denn mit ihm passiert? War doch sicher kein Herzinfarkt oder Ähnliches, wenn sich die Zeitung dafür interessiert?« Kollege Petermann war auch aufgestanden. Sein Blick war durchdringend.
»Das haben Sie ganz richtig erkannt.« Lara überlegte, wie viel sie erzählen konnte, ohne Interna zu verraten. »Er wurde ermordet. Mehr darf ich aus Ermittlungsgründen nicht sagen.« Jetzt verwendete sie selbst schon die Floskeln der Kripo.
»Ermordet! Welchen Grund sollte es geben, jemanden wie Rainer zu ermorden?«
»Wenn wir das wüssten, wären wir einen entscheidenden Schritt weiter.« Lara zuckte mit den Schultern und rückte ihre Tasche zurecht. »Vielen Dank nochmals.« Als sie hinausging, standen die beiden Graubekittelten wie eineiige Zwillinge neben dem Verkaufstresen und schauten ihr nach.
Das Faxgerät piepte und spuckte dann Papier aus. Isabell eilte hinüber, nahm die Seiten aus der Ablage und stierte darauf. Lara tippte mechanisch. Ihre Gedanken kreisten um das Gespräch von heute Morgen. Die letzte Frage hatte genau ins Herz der Ereignisse gezielt: Welchen Grund gab es, jemanden wie Rainer Grünkern zu ermorden? Sie musste Mark anrufen. Und dann würde sie nach Kinderheimen in der Nähe von Zwickau recherchieren und
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