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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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Im Vorbeifahren winkte er ihr zu, und Lara zwang ihre Mundwinkel nach oben.
    Erst als er verschwunden war, griff sie nach ihrem Handy und wählte Marks Nummer.
     
    »Was ich noch fragen wollte: Was ist eigentlich ein ›Wasserfetisch‹?«
    Während Mark kurz überlegte, konnte Lara leises Klappern von Geschirr und eine Kinderstimme hören. Sie hatte ihn zu Hause erreicht, und anscheinend war die Familie gerade mit dem Abendessen fertig geworden.
    »Das ist gar nicht so leicht zu erklären. Warte kurz.« Mark flüsterte jemandem zu: »Ich bin im Arbeitszimmer«, dann klappte eine Tür, und die Hintergrundgeräusche verstummten schlagartig.
    »Der Fetischbegriff wird verschieden benutzt. In der Religion ist Fetischismus die Verehrung von Gegenständen, weil man an ihre übernatürliche Eigenschaften glaubt. Fetische findet man oft bei Naturvölkern. Sie werden auch in der Naturheilkunde eingesetzt, zum Beispiel von Schamanen. Aber das passt in dem Fall mit deiner Badewannenleiche natürlich nicht.« Er machte eine kurze Pause. »Hier ist ein sexueller Fetisch wahrscheinlicher. Es gibt dabei harmlose und gefährliche Fetische, was aber allen gemein ist, ist die Tatsache, dass die benutzten Dinge oder Fantasievorstellungen immer zur Stimulierung und Befriedigung dienen. Wurden bei der Leiche in der Badewanne irgendwelche Spuren sexueller Aktivitäten gefunden?«

    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Dann ist es unwahrscheinlich, dass dein Täter einen Wasserfetisch hat.«
    Lara nickte. Mark hatte recht. »Du hattest den Begriff nur letztens erwähnt, und Wasser scheint hier ja eine große Rolle zu spielen.«
    »Das stimmt. Im Moment sehe ich allerdings keine Ansatzpunkte für mögliche Nachforschungen. Aber wenn sich etwas Neues in dem Fall ergibt, kannst du mich gern wieder um Rat fragen.«
    »Danke, das mache ich.«
    »Du wolltest mir aber noch etwas anderes erzählen, hast du vorhin erwähnt?«
    Lara seufzte unhörbar, betrachtete den Schmutz auf dem Armaturenbrett und löste die Finger vom Zündschlüssel, den sie gerade hatte umdrehen wollen. »Ja, das stimmt. Meine Halluzinationen sind zurückgekehrt.«

16
    Matthias Hase ließ die Kiste mit den Einkäufen auf den Küchentisch poltern und keuchte dabei. Aus den feinen Schweißperlen auf seiner Stirn hatten sich warme Rinnsale gebildet, die nun langsam in Richtung der Augenbrauen sickerten.
    Er öffnete das Fenster, holte die Küchenrolle und wischte sich mit einem Stückchen Krepp über die Stirn. Sein Appetit auf ein warmes Mittagessen war ihm gründlich vergangen. Jedes Mal das gleiche Theater. Er schaffte es nie, in der Woche einzukaufen, und musste sich am Wochenende ins Getümmel stürzen. An den Sonnabenden war es in den Supermärkten immer besonders voll. Er hasste es, zwischen all den Menschen nach Lebensmitteln
suchen zu müssen. Noch mehr als Einkaufen aber hasste er das Auspacken und Einräumen der Lebensmittel.
    Mit einem Seufzen betrachtete Matthias den Inhalt der blauen Klappkiste. Es nützte nichts. Die Sachen würden sich nicht von allein in den Kühlschrank stapeln. Und lange auf dem Tisch stehen lassen konnte man sie bei der Wärme auch nicht. Noch einmal tupfte er sich mit dem Küchenkrepp über das Gesicht und machte sich dann an die Arbeit.
    Ein laues Lüftchen wehte durch das Fenster herein und kühlte sein erhitztes Gesicht. Draußen surrte ein Fahrrad vorbei. Ein Kind kicherte. Doch Matthias Hase hörte nichts davon. Seine Gedanken waren bei einer Gründerzeitvilla mit einem Dämonengesicht über der Tür.
    Seit letztem Dienstag, als er die Seiten über das Kinderheim  – sein Kinderheim  – im Internet entdeckt hatte, hatte Matthias es jeden Abend kaum erwarten können, den Computer hochzufahren und in seinen Posteingang zu schauen, aber der »Postmaster« hatte ihm bisher nicht geantwortet. Auch die Seiten über das Heim waren nicht mit weiteren Inhalten gefüllt worden. Vielleicht war der Verfasser im Urlaub oder hatte wenig Zeit. Oder er wollte nichts mit den ehemaligen Zöglingen zu tun haben.
    Davor fürchtete sich Matthias am meisten, denn er brauchte den anderen, brauchte dessen Wissen, seine Informationen über andere Kinder, mehr noch aber über die Erzieher, denn obwohl er sich seit einer Woche den Kopf zermarterte, wollten ihm weder weitere Details über das Leben im Heim noch die fehlenden Namen der Aufpasser einfallen.
    Mit sanftem Schmatzen saugte sich die Kühlschranktür fest. Matthias faltete die Klappkiste zusammen und

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