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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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weniger Falten, oder diese fielen in dem aufgepolsterten Gesicht nicht so auf.
    Die Zentralverriegelung vom Auto klickte. Ein Schwall heißer Luft kam ihm entgegen. Matthias stieg ein und stellte die Klimaanlage auf fünfzehn Grad. Während er das Auto mechanisch um
die engen Kurven des kleinen vogtländischen Städtchens zirkelte, überschlugen sich seine Gedanken. Die Begegnung mit der ehemaligen Heimleiterin erzeugte Wellen in seinem Inneren, die wispernd an die Wände zu den Erinnerungen stießen. Sein Streben nach Gerechtigkeit war plötzlich ins Stocken geraten, weil er sich nicht entscheiden konnte, ob auch die Sagorski eine seiner drastischen Strafen verdient hatte. Bis jetzt war es seine Maxime gewesen, den Tätern das Gleiche anzudrohen, was diese den Kindern angetan hatten, um zu sehen, ob sie ihre Untaten bereuten. Weder Meller noch Isolde Semper hatten ihre Schuld eingestanden oder gar bedauert. Deshalb war es bei ihnen nicht bei Worten geblieben. Womit aber sollte er die Sagorski unter Druck setzen? Ihre Boshaftigkeit hatte sich in verbalen Angriffen, in Demütigungen der Kinderseelen erschöpft. Körperliche Übergriffe dagegen gab es, sofern ihn seine Erinnerungen nicht trogen, nie.
    Matthias Hase beschloss, seinen neuen Freund Sebastian Wallau danach zu fragen. Konnte dieser ihm auch keine Beispiele für Züchtigungen nennen, würde er die Heimleiterin verschonen.
    Er überdachte seine Pläne für die kommende Woche. Neue Namen waren ihm bis jetzt nicht eingefallen, und an eine Frau »Gurich«, die Sebastian erwähnt hatte, erinnerte er sich nicht. Das bedeutete, es fehlte an konkreten Anhaltspunkten für weitere Recherchen.
    Vielleicht sollte er erst einmal nachschauen, ob seinem E-MailPartner in der Zwischenzeit etwas eingefallen war. Matthias lächelte und trat das Gaspedal durch.

20
    »Das war ja wieder eine epische Besprechung. Hampelmann findet immer kein Ende. Ich brauche jetzt dringend einen Kaffee.« Tom Fränkel verdrehte die Augen, warf seinen Notizblock auf den Schreibtisch und marschierte in die kleine Redaktionsküche. Isabell folgte ihm wie an einer unsichtbaren Leine. Lara blickte ihnen nach. Der Kollege hätte es in Gegenwart des Redaktionsleiters nie gewagt, ihn mit seinem Spitznamen zu bezeichnen. War Gernot Hampenmann anwesend, tat Tom immer besonders devot und schleimte, wo er nur konnte.
    »Ich geh runter, eine rauchen.« Auch Friedrich trug einen mürrischen Gesichtsausdruck zur Schau. Es war noch nicht einmal Mittag, und schon hatten alle die Nase voll von der Arbeit. Montags schien die Stimmung in der Redaktion immer besonders gereizt zu sein. Lara wusste nicht, ob das an der Aussicht auf die bevorstehende Arbeitswoche, der allmontäglichen Redaktionskonferenz oder an Hampelmanns endlosen Tiraden lag. Vielleicht war es auch alles zusammen. Sie blendete Isis überdrehtes Kichern, das aus der Küche herüberwehte, aus und sortierte ihre Utensilien.
    Es waren zwar noch gut zwei Stunden Zeit, aber sie würde sich trotzdem gleich auf den Weg zum Gericht machen. Es gab keine reservierten Plätze für Journalisten. Und die für heute angesetzte Urteilsverkündung im Fall Doktor Schwärzlich würde eine Menge Neugieriger anziehen, das war sicher. Außerdem hatte sie vor, für ihren Artikel ein paar Stimmen von Prozessbeobachtern und, wenn sie Glück hatte, auch von den Beteiligten einzufangen. Lara wechselte die Akkus ihres Diktiergerätes und sprach probehalber ein paar Worte, um zu testen, ob es funktionierte. Dann trug sie sich in die Abwesenheitsliste ein und ging.
Ein Blick in die Küche zeigte, dass Tom dort noch immer mit Isabell Kaffee trank. Sie standen auffällig nah beieinander. Aber auch ohne diese Beobachtung wusste inzwischen jeder in der Redaktion, dass die zwei ein Verhältnis hatten. Außer Gernot Hampenmann natürlich.
     
    Auf dem Weg zum Gericht dachte Lara über das zurückliegende Wochenende nach. Am Sonnabend war sie zu ihren Eltern gefahren und hatte dort übernachtet. Der Dorfklatsch hatte sie wunderbar von ihren Sorgen abgelenkt. Nur das ständige Insistieren ihrer Mutter, die sich anscheinend täglich fragte, wann ihre Tochter wieder einen Partner fände und ob sie selbst jemals Großmutter werden würde, hatte ein wenig genervt. Laras Vater hatte wie immer nur zustimmend gebrummelt. Die beiden wollten einfach nicht verstehen, dass eine Frau heutzutage auch sehr gut allein durchs Leben kam. Aber sie meinten es ja nicht böse.
    Was Peter wohl machte? Lara

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