Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Aufzeichnungen von Radan zu Gemüte geführt hatte, war ich auf eine merkwürdige Abhandlung gestoßen, die von einem rätselhaften Land berichtete, zu dem das Licht der Xyn keinen Zugang fand. Es handelte sich dennoch nicht um eine gänzlich dunkle Welt, gab es dort doch jene mystischen Sonnensteine, die die Aufgabe der Sonne übernahmen… ja, so ähnlich war es gewesen. Mir fiel auch wieder ein, den Bericht nur überflogen zu haben, war er mir doch zu fantastisch erschienen – und womöglich gerade deswegen in der Erinnerung haften geblieben. Ein Land, in das die Xyn keinen Zugang fand… beleuchtet von Sonnensteinen, so hell, dass ein Mensch bei ihrem Anblick erblindet… regiert von einem außergewöhnlichen Gebieter… regiert vom Roten Herrscher…! Spannend, was sich so alles aus meinem Unterbewusstsein zutage fördern ließ. Handelte es sich am Ende um ein unterirdisches Reich, verborgen in den unsichtbaren Tiefen Gondwanas? Das würde erklären, warum das Sonnenlicht nicht bis dorthin reichte. Was hatte es mit dem Roten Herrscher noch einmal auf sich? Ich erinnerte mich, von ihm mehr gelesen zu haben, er spielte wohl einst eine wichtige Rolle in Gondwanaland. War er nicht eine Art Anführer der Opreju gewesen? Richtig, und er war von den Ermeskul in einer entscheidenden Schlacht gestellt und vernichtet worden, oder so ähnlich.
In kurzen Sätzen berichtete ich Krister davon. Er rümpfte die Nase, auch ihm kam diese Geschichte mehr als nur unglaubhaft vor.
„Wahrscheinlich gibt es für das Ganze hier eine simplere Erklärung“, meinte er.
Vermutlich hatte er Recht. Meine Fantasie ging wohl ein Stück weit mit mir durch. Gleichwohl spürte ich, mit der Annahme nicht gänzlich falsch zu liegen. Wie sehr ich mir jetzt wünschte, gewisse Aufzeichnungen aufmerksamer gelesen zu haben. Doch so sehr ich mich auch zu erinnern versuchte, weitere Informationen, die ich vielleicht tatsächlich in jener Nacht in meiner kleinen Kammer zuhause in Stoney Creek gelesen hatte, ließen sich nicht mehr lokalisieren. Schließlich gab ich es auf.
Der neue Tag empfing uns mit strahlendem Sonnenschein. Lediglich verräterische Nässe zeugte von dem Unwetter, das in der Nacht über uns hereingebrochen war. Der Wald atmete Feuchtigkeit, nebelartige Schlieren stiegen dampfend aus seinen dunklen Tiefen empor. Einer nach dem anderen krochen wir aus der schützenden Höhle hervor, froh, wieder an der frischen Luft zu sein. Die Welt hatte uns wieder. Es konnte weitergehen.
Gegen Mittag ließ sich die Veränderung der Umgebung nicht mehr länger leugnen. Kasawar – oder auch Hadramat – verschwanden allmählich, erst zögerlich und beinahe unmerklich, doch schließlich war es nicht länger von der Hand zu weisen.
Der Übergang in offenes Gelände, das keinen Deut anders aussah, als vor dem Eintritt in den Wald, vollzog sich dann doch nahezu abrupt. Wie eine dunkle Wand blieb er zurück, der mächtige Forst, der uns so lange verschluckt hatte. Ihn endlich gemeistert zu haben hellte nicht nur meine Laune nachhaltig auf. Die letzten beiden Tage hatten beständig an ihr genagt. Es grenzte an ein Wunder, den stellenweise so gut wie nicht mehr vorhandenen Pfad durch den schattenhaften Urwald nicht gänzlich verloren zu haben. Wie leicht es gewesen wäre, sich rettungslos zu verirren! Zudem waren wir keinen wilden Tieren begegnet, vor denen Avalea uns so vielsagend gewarnt hatte. Es war glatt abgegangen – glatter als jemals erwartet.
Zufrieden betrachtete ich die weite, helle Ebene, die sich vor uns auftat. Ein wohltuender Anblick nach den unzähligen düsteren Stunden unterhalb des übermächtigen, lichtabweisenden Blätterdachs. Halb Laurussia lag nun hinter uns. Der Weiterweg versprach zumindest berechenbarer zu werden.
Die erste Nacht außerhalb bedrückenden Dickichts gestaltete sich dann auch deutlich furchtloser. Wir fühlten uns wieder sicherer. Die permanent unterschwellige Gefahr, aus dem Hinterhalt heraus angegriffen zu werden, existierte hier außen nicht mehr. Ein beruhigendes Gefühl. Wir konnten auch ohne Decken schlafen, kein Vergleich zu der feuchten Kühle, die der Wald geatmet hatte. Im Gegenteil, es war zu warm, um ordentlich Schlaf zu finden. Und zu hell dazu. Ein kreisrunder und zu voller Größe herangewachsener Ebrod strahlte wie die Miniaturausgabe einer Sonne vom pechschwarzen Firmament herab. Luke, der die erste Wache übernahm, nutzte die freie Zeit und die unerwartet guten Lichtverhältnisse zur
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