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Sepia

Sepia

Titel: Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Schuetz
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konnte man sie in den Gärten entdecken, unzählige Kompostplätze und Zäune, aus Betten gebaut, neuerdings sah man außerdem in den Gärten aus Betten und Eisenketten gemachte sofaartige Schaukeln.
    Anton hatte damals leider kein Militärbett mehr erwischt. Die Kaserne am Schützenhof war bereits leer, als er einesNachts dort abräumen wollte. Nun also hatte er sich über Elis Bett hergemacht. Ein echtes Paradiesbett, seinerzeit eine behördlich angeordnete Spende aus dem Sanatorium Weißer Hirsch für die Ausgebombten. Eine bezugsscheinpflichtige Zuwendung. Eli hatte die Kugeln mit Sidol blank geputzt und schöne zierliche Schleifen und Sebnitzer Seidenblumen aus Emmas Handarbeitskiste oben ans Kopfgestänge gebunden.
    Die Erinnerung an die geputzte Schlafstatt, die Wandlung ihres heimatlichen Nestes in ein solides Kompostgehege, das ist nun wieder ein Grund für traurige Trauer.
    Und etwas Wut.
    Anton ist immer noch nicht zu Hause. Die Fenster verriegelt und die Vorhänge zugezogen. Eli steht vor der Tür. Es wird finster, es wird Nacht.
    Dubberts meinen, Anton ist bestimmt übern Winterberg, der macht gerne mal paar Tage fort. Däm gefällt’s im Gebirge.
    Eli bleibt über Nacht bei Dubberts. Am Morgen rollt sie sich vom Sofa und macht sich auf den Weg. Erste Station Pflaumen und Tomaten, dann Sachsenbad, Puschkinhaus oder Sempergalerie, mittags kommt sie zurück, um zu erkunden, ob Anton aufgetaucht ist. Sie wandert die Elbe entlang. Flussab, flussauf. Sie pendelt mit der Pieschner Fähre zum Schlachthof und wieder zurück.
    An einem Mittag ist Anton endlich wieder da. Man hört das Radio durch die Tür. Orchestermusik. Eli klopft und klingelt. Dubberts schlagen gegen die Wasserleitung, bis er den Apparat leiser dreht und endlich mit seinem am Schlüsselbund hängenden Wohnungstürschlüssel aufschließt.
    Tatsächlich, Anton ist ein paar Tage in der Sächsischen Schweiz gewesen. Sein Rucksack, der Stock, die dreckigen Schnürschuhe, die Socken. Seit Alice nach dem Westen getürmt ist, wandert er allein. Er fährt mit dem Bus bis Schmilka, dann geht er über den Winterberg. Manchmal trifft er alteBekannte, manchmal sogar einen, der sich noch an Emma erinnert, damals mit dem kleinen und später mit dem großen Paul, als sie in Familie oder mit dem Verein unterwegs waren. Nach Emmas Tod hatte er das Wandern für viele Jahre verlernt. Nach dem Krieg, ohne Emma und schließlich auch ohne Paul und ohne die Schwiegertochter, da musste er ganz von vorne anfangen. Mit Wanderfreundin Alice. Die jüngeren Bergfreunde richten Grüße aus an Alice oder an seine Enkelin, die er von klein auf ohne Vater und Mutter durchgebracht hat, bis sie auf eigenen Füßen stehen konnte als Fachkraft im Botanischen Garten. Er hat noch niemandem erzählt, dass sie ihr Zeug gepackt hat. Auch das Fahrrad hat sie mitgenommen. Er weiß aus Briefen, wie sie jetzt lebt und auskommt. Er hat ihr Bett auseinandergenommen, vielleicht etwas voreilig, vielleicht, um schnell aufzuräumen mit der Enttäuschung und der Vergangenheit, vor allem aber, weil er es woanders dringend gebraucht hat. Trotzdem wird er noch abwarten, was die Zukunft bringt, die meisten Wege sind Rückwege, und ein gutes Bett lässt sich heutzutage für Geld im Möbelkonsum kaufen.
    Anton dreht das Radio aus, das Mittagskonzert ist zu Ende, und was anderes kommt nicht.
    Ein paar Pfifferlinge liegen der Größe nach auf dem Tisch.
    Hast du gesehen, wie gut die Tomaten stehen? Anton tut so, als wäre Eli wie früher grade von Arbeit nach Hause gekommen.
    Nicht schlecht, sagt Eli und verschwindet, weil sie es eilig hat.
    Der enge Korridor zum Klo ist immer noch eng, alte Tabakkisten, Eimer und Körbe, aber das Sitzsofa steht nicht mehr unnütz, bloß zum Stolpern und Ärgern, im Wege. Das klotzt nun in Elis Boudoir. Dort hat er es hinbugsiert. Dort stapelt Anton brauchbare Kartons, zwei neue Besen, überhaupt Sachen, die er für später aufhebt.
    … unsres Daseins Herz und Haus, ist beim Unendlichen, und einzig dort; ist bei der Hoffnung, welche niemals stirbt. Esist was wert, dass man solche Verse im Kopf hat. Die Übersetzungsübung mit Schubert ist zum Ohrwurm geworden. Seine Stimme spricht, dazwischen Ludwig. Nimmer oder niemals. Weil wir seiner Variante nicht zustimmen wollen, beschimpft er uns als Streberleichen. Der Aufstand der Unbegabten.
    Ludwig, das sagst du nicht noch mal. Das ist Siegfrieds Stimme.
    Eli nimmt die Schreibmaschine aus dem Schrank. Sie passt wie

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