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Sepia

Sepia

Titel: Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Schuetz
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Botschaft am Traggriff fest.
    Meng trippelt herbei, vorsichtig mit einer dampfenden Schüssel.
    Frisch. Sehr einfach, nur gekocht.
    Eli balanciert mit den Stäbchen eine Kugel vom Teller in den Mund. Dumpling. Meng schaut zu.
    Fein machst du das.
    Schmeckt lecker, sagt Eli.
    Nimm viel, sagt Meng.
    Wenn ich nur wüsste, was mit Ludwig in Magdeburg war. Er will mir nicht erzählen, was geschehen ist. Er sagt nur lauter Quatsch. Das Vergangene ist vergangen, und schade, dass wir nicht wenigstens reich und alt sind. Hat er euch was gesagt?
    Meng Hai-Feng tröstet mit einem chinesischen Lächeln. Probieren, sagt er. Essen und Lachen. Er deutet auf seine schmalen Augen. Augen zu. Man muss üben. Nicht weinen.
     
    Eli radelt bergab. Sie spürt, dass sie zu viel gegessen hat. Zu viel Dumpling, zu viel braune Soße. Nie mehr will sie Dumpling essen. Nie mehr so viel reden. Mit niemandem. Am liebsten würde sie die Stimme aus den Ohren austreiben. Das gebrocheneDeutsch. Ihr wird schwindlig. Sie steigt vom Rad. Sie hält sich fest.
    Kalter Schweiß auf der Stirn. Der Magen poltert.
    Die fröhliche Stimme des besorgten Meng wird Eli nicht los. Wie den Geruch der Soße. Bino, Hefe, Malz. Nimm Zeit. Augen zu.
    Ludwig ist fort. Mit Schreibmaschine. Nachts denkt Eli an den Kasten, an das Teil von ihr, das bei ihm ist. Sie hört die Geräusche. Die Walze packt einen weißen Bogen. Buchstaben schlagen gegen das Papier, die Typen klappern. Darüber fällt sie gegen Morgen in einen sackgassenartigen Traum. Sie hat sich im Wald verirrt, doch sie macht sich nichts draus.
     
    Peter Tetzner, Ludwigs Motorradfreund, hat Eli gefragt, ob sie mitfahren möchte ins Mansfelder Kupferschieferrevier. Kurz entschlossen, bevor der Ernteeinsatz, diesmal ohne Ausnahme, für alle Studenten beginnt. Ludwig hat keinen Schimmer, dass Peter ihn besuchen, dass Peter nicht allein kommen wird. Peter fühlt sich wie Knecht Ruprecht, Eli im Sack bzw. auf dem Sozius. Wir stehen vor seiner Tür oder unter dem Fenster oder warten bis zum Schichtende vor der Einfahrt, wo die Bergleute vom Schacht herauskommen werden mit ihren Grubenlampen und schwarzen Nasen.
    Bis Dessau fahren sie auf der Autobahn. Dann Landstraße. Vor Aschersleben halten sie das dritte Mal an. Eli muss trinken, ihr ist elend. Sie ist müde, denn sie hat die ganze Nacht nicht geschlafen. Sie taumelt vor Aufregung. Diesmal wäre sie fast vom Sozius gerutscht.
    Entschuldige, Peter. Ich halte dich auf, ohne mich wärest du schon bei Ludwig, ihr würdet zusammen Bier trinken.
    Quatsch, sagt Peter.
    Er kramt eine Decke aus der Satteltasche.
    Hast du was Schlechtes gegessen? Gestern gab’s Milchreisin der Mensa, das kann’s doch nicht sein. Soll ich langsamer fahren?
    Eli liegt auf der Decke, sie krümmt sich, sie krampft die Hände zu Fäusten. Peter füllt Tee aus der Thermoskanne in den Becher. Eli rafft sich auf, er kniet vor ihr, er hält immer noch den Becher. Sie schauen sich einfach nur an, kniend und ratlos. Sie wissen nun und sehen, was geschieht. Blut. Auf der Decke alles voll Blut.
     
    Ein Wartburgfahrer hatte angehalten. Peter hatte die Decke zusammengewickelt. Sein Hemd ausgezogen. Das Hemd hatte Eli zwischen die Beine gestopft. Das Schlimmste war schon vorbei. Der Mann fuhr trotzdem mit Eli ins Dessauer Krankenhaus.
    Eli hatte eine Narkose bekommen. Das musste sein. Der Arzt hatte zu Eli etwas gesagt, das klang wie ein französisches Wort. Beinahe wie Kyrie eleison, also wie Herr, erbarme dich.
    Eli muss zwei Wochen auf der Frauenstation bleiben. In einem Zehnbettzimmer. Eli liegt im ersten Bett an der Tür, da ist auf einer Seite eine gemusterte Wand. Die Frau im Nachbarbett schenkt Eli Briefpapier und eine Briefmarke. Eli schreibt an Frau Gieram im Sekretariat, dass sie leider krankheitshalber am Ernteeinsatz in diesem Jahr nicht teilnehmen könne.
    Alle zwei Stunden werden die Säuglinge auf einem Pritschenwagen hereingeschoben und verteilt. Die Frau neben Eli hat Zwillinge bekommen. Eli darf eins so lange halten, bis das andere genug hat. Manchmal das Mädchen, manchmal den Jungen.
    Am Mittwoch- und Sonntagnachmittag strömt Besuch in den Saal. Die Omas sitzen auf dem Stuhl, der zu jedem Bett gehört, die anderen sitzen auf den Bettkanten. Elis Stuhl bleibt frei. Der Mann von der Frau nebenan hat die beiden schon aus dem Gröbsten herausgewachsenen Töchter mitgebracht.Sieben Jahre alt. Auch Zwillinge. Eli hat ein Buch aus der Krankenhausbibliothek aufgeschlagen. Seit Stunden

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