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Sepia

Sepia

Titel: Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Schuetz
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Schädeldecke will platzen, das Herz will zerspringen, aber das ist nur eine Rede.
    Wenn Schubert jetzt noch hereinschleicht, wird er Eli fleißig verbissen vor dem DIN-A4-Heft finden. Kapitel
Laokoon, das Kunstwerk als Kriegsbeute
. Das ist eine erprobte List, man tut so, als wäre nichts geschehen, man lebt in Gedanken weiter, man atmet und redet sogar, man hört die andere Stimme.
    Parallelen vermeiden, die Anmerkung hatte Betreuer Schubert zu guter Stunde gemacht, und er hatte erklärt, vermeide die Parallelen, weil sich Geschichte nicht wiederholt. Gleichnisse gibt es nur im Märchen.
    Eli, du musst den Täter und die Orte betonen, du musst den Dieb möglichst oft namentlich nennen. Dreimal mehr als gut.
    Eli sammelt erst einmal das Material, sie versucht es ohne Tricks, auch ohne Aspirin, sie öffnet das Fenster, Luft rieselt wie vom Gebirge, in Wahrheit sind es aufgetürmte Wolken, die die Zuversicht bringen.
     
    Die Beutesammler der siegreichen Grande armée waren kundige Leute. Sie ließen die Reparaturen, den neu angesetzten Marmor, von der Skulpturengruppe entfernen. Nackt, unverfälscht, wie es einst unter staunenden Augen aus der Baugrube gehoben worden war, so rollte das requirierte Kunstwerk am27. Juli 1798 in einem Spezialwagen aus der Stadt Rom nordwärts.
    So wurde die Laokoon-Gruppe als eine Hauptattraktion im Louvre aufgestellt.
    Doch nach Waterloo, der endgültigen Niederlage des Weltenherrschers Napoleon, ging es retour. In Rom hatte man den wehrhaft gestreckten Arm und all die Marmorteile, die für den Besucher der Vatikanischen Museen zur Vollkommenheit der Skulpturengruppe gehörten, sorgfältig aufbewahrt.
    Im Atlas sucht Eli unter der Lupe die Reiseroute. Von Paris wieder nach Hause nach Rom. Die Lupe ist ein Geschenk von Anton, ein Vergrößerungsglas mit einem Griff aus Stahl, eine Art Dolch zum Briefeöffnen. Eli zieht das gewölbte Glas über das hirnartig-knittrige braune Alpenmassiv, der Ort des Malheurs heißt Moncenisio.
     
    Der Sturm war plötzlich aufgekommen. Aus blauem Himmel, Pfeifen aus nordöstlicher Richtung, neidische Geister, die den Tross mit Gewalt im Alpendiesseits festhalten wollen.
    Das Wetter nötigt zur Umkehr. Zwingt zum Bleiben.
    Von einer Minute zur anderen steigen grauschwarze Wolken über die weißen Zacken. Peitschender Schnee von oben und von der östlichen Bergwand. Ein strudelnd weißer Kessel. Die Kufenkarren versinken, und die Menschen fallen auf die Knie. Dunkelheit ohne Sterne. Kein Mond. Ein Wunder, dass am Morgen nach dem Sturm wieder Leben erwacht. Keiner erfroren, keiner abgestürzt oder verschwunden. Unter der Schneedecke das gedämpfte Geläut der Geschirrglocken. Die Pferde sind munter. Aber der Karren liegt quer, die Fracht ist auf einen tückisch den Weg wendenden Felsen gekracht. Man braucht Hilfe von den Leuten unten im Tal. Die Holzfäller und die heimischen Pferde haben Übung in den Felsengassen, der Tiefschnee macht ihnen nichts aus. Binnen Stundenfrist steht dieFuhre. Weiter geht es. Von nun an im Sonnenschein und auf Rädern, durch das liebliche Piemont, durch Ligurien, dann immer der Nase nach Richtung Süden, zur Rechten, grenzenlos, das blaue Tyrrhenische Meer.
     
    Eli steckt Antons Lupe ins Lederetui. Anton hatte ihr die Lupe als Spielzeug geschenkt, er mit seinen guten Leseaugen und seinen Fernsichtinteressen konnte so was nicht gebrauchen. Pass aber auf, dass du dich nicht mit dem spitzen Brieföffner stichst. Immer verbindet er seine Geschenke mit einer Ermahnung. Verlier es nicht. Mach’s nicht kaputt. Fünf Mark auf die Hand: Kauf dir aber keinen Fingerring. Sicherlich hatte er die Lupe im Mai 45 auf der Straße gefunden. Wahrscheinlich von einem Plünderer verworfen. Als Plünderer war man in der Zeit auf andere Sachen aus. Man schleppte Nährmittel und Kleider, Schuhe, Betten und Zigaretten. Erst als Letztes nahm man als Plünderer eine Lupe mit. Als Letztes war schließlich alles irgendwie noch verwendbar, sogar ein Meißner Messerbänkchen vom königlichen Schwanenservice. So ein Messerbänkchen hatte Anton 45 auf dem Theaterplatz gefunden, das hängt jetzt als Gewicht am Fliegenfänger, dafür ist es wie geschaffen.
     
    Eli plagt sich mit dem letzten Kapitel.
    Sie würde gern beten, wenn das möglich wäre, oder ein anderes Ritual vollführen wie Dietrich, wie die Dubbert-Kinder auf dem Waschbrett knien oder einen Pilgerweg gehen bis nach Dresden, weiter zum Dorf an der Katzbach und dann nach Rom. Ludwig versagt

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