Septimus Heap 02 - Flyte
verkohlt und immer noch heiß, als sie es anfasste. Es war von einem Feuerblitz getroffen worden.
Vor Angst den Atem anhaltend, spähte sie in den Himmel. Das Drachenboot war noch gut zu sehen, denn es flog nicht schnell. Es war für gemächliche Langstreckenflüge gebaut, um Energie zu sparen. Mit gleichmäßigen Flügelschlägen und hoch erhobenem Kopf schwebte es majestätisch über den Marram-Marschen, und die kleine schwarze Wolke flitzte hinter ihm her. Tante Zelda bekam weiche Knie. Sie sank zu Boden und begann, an ihren Fingernägeln zu kauen. Das hatte sie seit damals, als sie auf das Ergebnis ihrer Hexenprüfung wartete, nicht mehr getan.
An Bord des Drachenbootes hatten nach dem geglückten Start alle erleichtert aufgeatmet. Tatsächlich hatte in den bangen Sekunden des Abhebens keiner den Feuerblitz bemerkt, und keiner ahnte, dass Simon Heap ihnen folgte. Jenna saß vorn im Bug, Septimus stand am Ruder, und Nicko, dem fliegende Boote unheimlich waren, hatte eben erst wieder die Augen geöffnet. Er blickte zu den Drachenschwingen, die gleichmäßig schlugen und erstaunlich viel Wind machten. Die Böen, die übers Deck jagten, und die Auf- und Niederbewegung des Bootes gaben ihm das Gefühl, auf hoher See zu segeln und nicht dreihundert Meter über dem Boden. Er wurde etwas entspannter und schaute sich um. Etwas stach ihm ins Auge.
»He, Sep«, sagte er, »da ist eine merkwürdige Wolke hinter uns.«
Septimus hörte die Besorgnis in Nickos Stimme, und obwohl er kaum anderswohin zu schauen wagte als geradeaus, drehte er sich um. Eine dunkelgraue Wolke näherte sich ihnen, und das mit einer Zielstrebigkeit, die überhaupt nicht zu einer Wolke passte.
»Simon!«, murmelte Septimus.
»Oh, Mist!«, sagte Nicko und blinzelte nach hinten in die Sonne, die tief am Himmel stand. »Glaubst du wirklich?«
»Es ist eine Dunkelwolke. Ich habe vorhin schon etwas gespürt, mir aber gedacht, das sei nur meine Angst vor dem Fliegen. Das Gefühl ist nämlich ganz ähnlich.«
»Was der wohl vorhat?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Septimus und warf noch einen Blick nach hinten. »Jedenfalls will er uns bestimmt nicht nur guten Tag sagen und zu dem schönen Boot beglückwünschen.«
»Hmm«, machte Nicko. »Vielleicht sollten wir etwas schneller fliegen.«
»Ich weiß nur nicht, wie. Ich könnte Jenna fragen ...« Doch ohne dass Septimus ein Wort zu sagen brauchte, begannen die Drachenflügel, schneller zu schlagen, und die Windböen, die ihnen ins Gesicht bliesen, schwollen zu einem Sturm an.
Aber die Wolke fiel nicht zurück, sondern folgte dem Drachenboot mit einer Leichtigkeit, als wäre sie durch ein Tau mit ihm verbunden.
»Da ist er!«, brüllte Nicko plötzlich gegen den Lärm, den die Flügel verursachten.
Septimus fuhr herum und sah, wie Simon gerade aus der Wolke herausflog. Eine Sekunde später schwebte er hinter ihnen, wobei er leicht ihr Tempo mithielt. Septimus fand, dass er irgendwie verändert aussah. Aber was war anders? Und dann wusste er es. Simon trug über dem rechten Auge, in das ihm 409 mit der Schleuder einen Stein geschossen hatte, eine Augenklappe. Der gute alte 409, dachte Septimus. Er lächelte.
»Dir wird dein blödes Grinsen vergehen, wenn du diesen ... diesen lächerlichen Mutanten nicht sofort landest!«, brüllte Simon zu Septimus herüber.
»Was sagt er, Nicko?«, rief Septimus.
»Keine Ahnung«, rief Nicko zurück. »Hab’s nicht verstanden. Einen Haufen Blödsinn, nehme ich an.«
»Liefert mir das Königsbalg aus, dann lass ich euch beide ziehen!«, brüllte Simon.
»Er brüllt immer noch«, rief Nicko.
»Ja. Behalt ihn im Auge, Nicko. Gib Acht, ob er nach einem Feuerblitz greift.«
»Hier oben würde er das doch nicht tun.«
»Und ob er würde.«
»Wenn ihr den Apparat nicht auf der Stelle landet«, brüllte Simon, »lasst ihr mir keine andere Wahl!«
Weder Septimus noch Nicko hatten bemerkt, dass Jenna zu ihnen ins Heck des Drachenbootes gekommen war. Sie war wütend.
»Jetzt habe ich aber die Nase voll.« Sie hob die Stimme und brüllte so laut, dass sie das Rauschen der Flügel übertönte, die gerade niedersausten und einen Windstoß entfachten, der ihr das Haar ins Gesicht blies. »Und zwar gestrichen voll!« Sie zog das magische Vergrößerungsglas aus der Tasche, das sie von der Camera obscura genommen hatte.
»Was ist das, Jenna?«, fragten Septimus und Nicko wie aus einem Mund.
»Das werdet ihr gleich sehen. Passt auf.« Sie hielt das Glas so, dass die
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