Septimus Heap 04 - Queste
lächelte trübsinnig. »Ich weiß heute ein klein wenig mehr als damals. Aber wer kann sagen, was es zu bedeuten hat? Ich will euch von Demelza Heap erzählen.«
»Demelza?«, fragte Septimus. »Ich wusste gar nicht, dass es eine Demelza Heap gibt.«
»Heute möglicherweise nicht«, erwiderte Marcellus. »Aber damals gab es eine. Und diese Demelza erzählte mir, dass sie Nicko und Snorri gesehen habe. Zweihundert Jahre, nachdem sie von mir fortgegangen waren.«
Stille senkte sich über den Raum. » Zweihundert Jahre?«, hauchte Jenna.
Beetle lief ein kalter Schauder über den Rücken. Also das war wirklich gruslig. Jillie Djinn hatte mit ihrer Meinung über Alchimisten völlig recht, dachte er.
Marcellus bemerkte, was für ein Gesicht Beetle machte. »Du musst nämlich wissen, hungriger Schreiber, dass ich mir den Fluch ewigen Lebens ohne ewige Jungend aufgeladen hatte.« Beetles Augen weiteten sich vor Erstaunen. »Ich würde es niemandem empfehlen.« Marcellus zog eine Grimasse. »Als ich ein Alter von etwa zweihundertfünfzig Jahren erreichte, war ich so greis, dass ich die hellen Lichter und das Geplapper der Welt nicht mehr ertragen konnte. Alles hatte sich so verändert, dass ich kaum noch wusste, wo ich hingehörte. Ich sehnte mich nach einem dunklen und stillen Ort. Und so fasste ich irgendwann den Entschluss, in den Altweg zu ziehen, der den Palast mit meiner alten Alchimiekammer verbindet. Das ist ein alter unterirdischer Gang, und er ist nicht mit Eis versiegelt. Du blickst überrascht, Schreiber. Doch, doch, es gibt noch ein paar Orte, die den eisigen Klauen des Frostes entgangen sind. Wie auch immer, jedenfalls beschloss ich, mein Haus zu verkaufen, solange ich noch bei klarem Verstand war – und dann begegnete ich Demelza Heap. Ich erinnere mich noch genau an den Augenblick, als ich die Tür öffnete und sie vor mir stand. Sie war eine bemerkenswerte Frau, groß, mit grünen Augen und den gleichen Haaren wie du, Lehrling – obwohl ich glaube, dass ihre häufiger einen Kamm gesehen haben als deine in letzter Zeit. Als ich noch ein junger Mann war, betrieb sie einen Laden für feine Glasinstrumente, wie ich sie für meine Experimente benötigte. Im Lauf der Jahre lernte ich sie näher kennen, aber dann verscholl sie auf einer Geschäftsreise zu den Glasbläsermeistern in den Unterlanden. Sie hatte mir ein paar Spezialgefäße besorgen wollen, und ich hatte mir deswegen Vorwürfe gemacht.
Und dann stand sie plötzlich vor meiner Tür, über zweihundert Jahre nach dieser Reise in die Unterlande, und sie war so jung wie damals. Natürlich erkannte sie mich nicht, denn ich war inzwischen alt und klapprig, und als ich ihr sagte, wer ich war, glaubte sie mir zunächst nicht. Aber sie wollte einem alten Mann nicht widersprechen, und wir kamen bei einem Glas Met ins Gespräch. Ich glaube, es tat ihr gut, mit jemandem zu reden, der sie nicht für verrückt erklärte, wenn sie darüber sprach, was ihr widerfahren war. Wie sie mir erzählte, hatte sie sich bei der besagten Reise in einem einsamen Wald verirrt, und auf der Flucht vor einem räuberischen Foryxrudel – das waren ihre Worte – gelangte sie in ein Haus, in dem sich, wie sie sagte, alle Zeiten vereinen. Auch sie nannte es das Foryxhaus.«
Jenna wagte kaum, die Frage zu stellen: »Haben ... haben Sie Demelza gefragt, ob sie Nicko gesehen hat?«
»Ja, das habe ich.«
Jenna und Septimus tauschten gespannte Blicke.
»Und ... ?«, drängte Septimus.
Marcellus lächelte. »Sie hatte ihn nicht nur gesehen, sie hatte sogar mit ihm gesprochen. Sie vermutete, dass sie seine Ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-Großtante war. So erfuhr ich endlich, was aus ihnen geworden war.«
»Dann hat es Nicko also bis zu diesem Foryxhaus geschafft«, rief Jenna aufgeregt.
»Es hat ganz den Anschein«, bestätigte Marcellus.
»Und er kann zurückkommen!«
»In hundert Jahren vielleicht«, warf Septimus düster ein, »dann sehen wir ihn sowieso nicht. Oder er ist schon vor hundert Jahren zurückgekommen und heute längst...«
Jenna fiel ihm ins Wort. »Sep, nicht ... ! Bitte, hör auf damit!«
»Genug, Lehrling«, schalt ihn Marcellus. »Manchmal siehst du alles zu schwarz. Wir müssen hoffen, dass sie schnell die Regel des Foryxhauses begriffen haben. Demelza, die Ärmste, hat sie erst begriffen, als es zu spät war.«
»Welche Regel denn?«, fragte Jenna.
»Sie hat nicht begriffen, dass du hinausgehen musst, wenn Neuankömmlinge aus deiner Zeit ans Haus kommen. Sie
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