Septimus Heap 04 - Queste
in Fetzen auf dem nassen Boden. Ihre letzte Chance, Nicko zu finden, war dahin.
Beetle schlenderte langsam an der Vorderseite des Palastes vorbei, ohne sich um den Regen zu kümmern, der durch seine Wolljacke drang und auch den Weg in seine Stiefel fand. Seine Erregung über die merkwürdigen Ereignisse der letzten Stunde hatte sich im strömenden Regen gelegt, und in banger Sorge dachte er daran, was ihn wohl im Manuskriptorium erwartete. Ob Marcia Jillie Djinn bereits einen Besuch abgestattet und berichtet hatte, dass er bei dem Alchimisten gewesen war? Außerdem beschäftigte ihn die Frage, wie er wieder zu seinem Schlitten kommen sollte. Im Unterschied zum Schlitten des Zaubererturms reagierte seiner nicht auf Pfiffe. Ja, er war nicht einmal mit einer Pfeife ausgestattet. Noch schlimmer war, dass sich der Schlitten gerne selbstständig machte und er keine Ahnung hatte, ob er ihn angebunden hatte. Er hatte sich so darauf gefreut, Jenna zu sehen, dass er seine Pflichten vergessen hatte. Wie sollte er sich dafür rechtfertigen? Er machte sich schwere Vorwürfe und schwor sich, Jennas wegen nie wieder seine Arbeit zu vernachlässigen – und in diesem Augenblick sah er sie in der Palastgasse in einer Pfütze knien.
»Prinzessin Jenna?«, drängte Beetles besorgte Stimme in Jennas Verzweiflung. »Ist... ist alles in Ordnung?«
Jenna schüttelte den Kopf, schaute aber nicht auf. In dem Gefühl, etwas zu tun, was sich für ihn eigentlich nicht gehörte und was nur jemand tun würde, der sie gut kannte, kniete sich Beetle neben ihr hin. »Kann ich helfen?«, fragte er.
Jenna sah ihn an. Beetle war sich nicht sicher, ob es Regentropfen oder Tränen waren, die ihr übers Gesicht liefen. Es hätte beides sein können. Jenna deutete auf einen Haufen Papierschnitzel, die in der Pfütze schwammen, und sagte zornig: »Ich habe alles verdorben. Alles ist meine Schuld. Jetzt finden wir sie nie.«
Beetle kam ein schrecklicher Verdacht. »Oh nein«, murmelte er und blickte entsetzt auf die Papierschnitzel. »Das ist doch nicht...«
Jenna nickte traurig.
Versuchsweise hob er einen aufgeweichten Fetzen auf und legte ihn sich auf die flache Hand. »Vielleicht...«, sagte er langsam und überlegte scharf.
»Was?«
»Wenn wir alle einsammeln, lässt sich vielleicht etwas machen.«
»Wirklich?« Leise Hoffnung schwang in ihrer Stimme.
»Ich ... ich möchte nicht zu viel versprechen, aber im Manuskriptorium versteht man sich auf solche Dinge. Einen Versuch wäre es jedenfalls wert.« Damit zog Beetle ein Päckchen aus der Tasche und faltete es auseinander, bis er ein großes viereckiges Tuch aus feiner Seide auf seinem Knie balancierte. Er leckte sich Zeigefinger und Daumen und rieb am oberen Saum der Seide, bis er sich teilte. Das Seidentuch entpuppte sich als Tragebeutel mit vielen Innenfächern. »Ich habe immer so ein Ding bei mir«, erklärte er. »Man weiß nie, ob man etwas findet, das man hineintun möchte.«
»Donnerwetter!«, staunte Jenna, die das Gefühl hatte, dass sie selbst nie etwas Nützliches mit sich herumtrug.
Die folgenden zehn Minuten brachten sie damit zu, im strömenden Regen – und unter dem kläglichen Maunzen eines triefnassen roten Katers – die empfindlichen Schnitzel aus fünfhundert Jahre altem Papier aufzulesen und vorsichtig in Beetles Beutel zu legen. Als sie überzeugt waren, dass sie auch das letzte Fitzelchen gefunden hatten, rollte Beetle die Seide behutsam zusammen und sagte: »Möchten Sie sie unter Ihrem Mantel tragen, Prinzessin Jenna? Ich glaube, da bleiben sie trockener.«
»Einfach nur Jenna, Beetle. Bitte.« Jenna lächelte und verstaute die Seidenrolle unter ihrem Mantel.
»Äh ... soll ich vielleicht... ?« Beetle deutete auf Ullr, der brav neben der Pfütze hockte und schlotterte.
»Oh ja, bitte«, antwortete Jenna.
Beetle hob die durchnässte Katze hoch und schob sie unter seine Jacke, dann machten sie sich gemeinsam auf zum Manuskriptorium. Auf dem Weg durch die Zaubererallee kam Beetle der Gedanke in den Sinn, dass er, wäre da nicht die nagende Sorge gewesen, dass das Manuskriptorium möglicherweise Nickos und Snorris Papiere nicht wieder zusammensetzen konnte, in diesem Augenblick rundum und wunschlos glücklich gewesen wäre.
Dies änderte sich gründlich, als er die Tür zum Schreibkontor aufstieß und Jillie Djinn und Merrin Meredith erblickte, die gerade im Begriff waren, nach hinten ins Manuskriptorium zu gehen. Beim Klingeln der Türglocke und dem Klicken des
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