Septimus Heap 05 - Syren
Wurf blutsaugender Exemplare, die von der Besatzung eines einlaufenden Schiffs über Bord geworfen worden waren, nachdem sie – damals noch Kätzchen – über den Kabinensteward hergefallen waren und ihm alles Blut ausgesaugt hatten. Linda hatte sofort erkannt, was sie waren. Sie hatte sich den Kescher eines kleinen Jungen geschnappt, die Vampirkätzchen aus dem Treibgut im Hafen gefischt und triumphierend ins Haus des Zirkels gebracht, von wo aus sie seitdem Jagd auf Babys und kleine Kinder machten.
»Aaah! Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaah! Aah! Aaaaaaaaaaaaaaaaaagh!«
Von den verrottenden Müllhaufen aus beobachteten die Katzen, wie Wolfsjunge fieberhaft etwas suchte, womit er den Grim füttern konnte. Wolfsjunge spürte die Blicke von neunundzwanzig Augenpaaren auf seiner Haut, und in seinem wölfischen Zustand spürte er auch, woher sie kamen. In weniger als dreißig Sekunden hatte er zwei Katzen aufgespürt, die sich hinter einem riesigen Pilz unter dem Spülstein versteckten. Er stürzte sich auf sie.
»Miauooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo!«
»Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaagh!«
Das Jaulen der Katzen ging völlig in Lucys Schrei unter.
Die strampelnden und kratzenden Biester am ausgestreckten Arm von sich weg haltend, rannte Wolfsjunge zur Falltür. Unter ihm schwappte das dunkle Wasser, aber von seinem Bewohner war nichts zu sehen. Der Grim spürte die Schwingungen von Lucys Schreien und ließ sich nicht nach oben locken – nicht einmal durch frisches Katzenfleisch.
Lucys Schreie erstarben. »Aaaa...aaa...äh...krächz!« Sie hustete und fasste sich an den Hals. Ich habe meine Stimme verloren, formte sie tonlos mit den Lippen.
In den Tiefen der städtischen Kanalisation verebbten die Vibrationen von Lucys Schreien. Der Grim zog die Tentakel aus seinen Gehörgängen – die ihm auch als Riechorgan dienten – und roch jetzt die Nahrung. Frischfleisch. Das ölige Wasser unter der Falltür geriet in Bewegung, und plötzlich durchbrach ein großer schwarz glänzender Kopf die Oberfläche. Wolfsjunge ließ die Katzen fallen.
Die Wirkung war eindrucksvoll.
Der Grimm warf sich auf den Rücken, und ein großer, weit aufgesperrter, sägeförmiger Schnabel kam zum Vorschein. Ein Wald von Tentakeln umschloss die schreienden Katzen, und ein widerlich saugendes Geräusch erfüllte die Küche, als der Grim daranging, seine erste Frischfleischmahlzeit seit beinahe fünfzig Jahren zu verspeisen. (Das letzte Fleisch hatte er von der jungen Tante Zelda bekommen. Der Zirkel hatte ihr eine Ziege angeboten, und sie hatte sie angenommen, dankbar, dass sie ihr nicht den Jungen von nebenan gegeben hatten, was sie bei ihrer Vorgängerin, Betty Crackle, getan hatten. Betty hatte das nie ganz verwunden und stets die Auskunft darüber verweigert, ob sie den Jungen akzeptiert hatte oder nicht. Tante Zelda fürchtete, dass sie akzeptiert hatte.)
Erregt von dem Frischfleisch, schob der Grim ein paar Tentakel durch die Falltür und suchte nach mehr. (Gelegentlich hatte er damit Erfolg. Nicht alle Künftigen Hüter kehrten von ihrer Aufgabe zurück.) Als die dicken Fangarme mit ihren mächtigen Saugnäpfen auf Wolfsjunge zukrochen, war sein erster Gedanke, die Falltürklappe zuzuschlagen und aus der Küche zu rennen – aber er hatte noch etwas zu erledigen. Er wappnete sich gegen die Dunkelkräfte, dann kniete er neben der Falltür nieder, zückte ein kleines silbernes Taschenmesser und schnitt zu Lucys Erstaunen mit einer schnellen Bewegung einem Tentakel die Spitze ab. Der Grim merkte es nicht. Er merkte ohnehin nicht mehr viel, denn infolge einer merkwürdigen Laune der Natur enthielt jeder Tentakel einen Teil des Grimgehirns. Und mit jedem erfolgreichen Besuch eines Künftigen Hüters wurde der Grim noch ein bisschen dümmer.
Das blutige und tropfende Stück Grimgehirn in der Hand, schlug Wolfsjunge triumphierend die Klappe der Falltür zu – und bereute es sogleich. Kaum war die Klappe klirrend auf den Metallrand gefallen, drang das unverwechselbare Quieksen Dorindas durch die Decke.
»Oooh, er hat es getan! Er hat sie an den Grim verfüttert!«
Im nächsten Augenblick erdröhnte die Decke unter Stiefelgepolter, und ein Gipsregen prasselte auf Lucy und Wolfsjunge nieder. Der Zirkel war im Anmarsch.
* 10 *
10. Entkommen!
» W i r müssen hier raus«, flüsterte Wolfsjunge und stürzte zur Küchentür. Er fasste nach der Klinke und zog – und fiel rücklings, den Griff in der Hand, in die
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