Septimus Heap 06 - Darke
geratet nicht in Panik. Panik zieht Dunkelkräfte an wie ein Magnet. Verstanden?«
Jenna und Septimus nickten. Sie konnten es nicht recht fassen, dass sie gleich aus freien Stücken in die wabernde Dunkelheit treten würden. Der Dunkelschleier und der Hexenmantel schützten sie vor den verführerischen Gedanken, die Menschen ins Dunkelfeld lockten. Es war schon merkwürdig, dachte Jenna. Aber der Hexenmantel ermöglichte ihr, das Dunkelfeld als das zu sehen, was es in Wirklichkeit war: eine furchterregende Wolke des Bösen.
Sie tauschten noch einmal einen Blick, dann folgten sie Marcellus in den schwarzen Nebel.
Der Dunkelschleier saß wie eine zweite Haut. Septimus kam ohne Mühe durch den dichten Nebel, doch Marcellus und Jenna hatten zu kämpfen. Jennas Hexenmantel bot weniger Schutz als der Dunkelschleier, denn er umschloss den Körper längst nicht so dicht und war nicht annähernd so mächtig. Noch weniger geschützt war Marcellus Pye in seinem Mantel – der Alchimist beschäftigte sich bei Weitem nicht so viel mit schwarzer Magie, wie er die Leute gerne glauben machte. Doch in einem Dunkelfeld bieten alle schwarzmagischen Überreste Schutz, und so kamen Marcellus und Jenna immerhin voran, auch wenn sie das Gefühl hatten, durch Leim zu waten und durch Watte zu atmen. Wellen von Müdigkeit überrollten sie, doch mit Willenskraft zwangen sie sich weiterzugehen.
Nach ein paar Minuten blieben sie stehen. Sie hatten die Zaubererallee erreicht. Marcellus schaute sich vorsichtig um. Jenna sah, wie er nach rechts, nach links und dann wieder nach rechts spähte, genau wie Sarah es immer getan hatte, wenn sie, als Jenna noch klein war, zusammen die Allee überquerten. Damals hatte sie gewusst, wonach Sarah Ausschau hielt, aber sie hatte keine Ahnung, wonach Marcellus jetzt suchte – oder wie er überhaupt etwas sehen konnte. Marcellus gab ihnen ein Zeichen weiterzugehen, und sie traten auf die Zaubererallee.
Es war kein angenehmes Gefühl. Das Dunkelfeld war hier mächtiger und bewegte sich um sie herum wie ein lebendiges Wesen. Manchmal spürten sie, wie etwas an ihnen vorbeistrich, und einmal stach ein Gespenst mit dem Finger nach Marcellus, doch er verscheuchte es mit einem schwarzmagischen Fluch. Sie hielten sich in der Mitte der Straße, achteten darauf, dass sie langsam und ruhig atmeten, ein und aus, ein und aus, und gingen mit festen Schritten die vertraute, nun aber so fremde und beängstigende Zaubererallee hinunter.
Nach einer Weile hatte Septimus das deutliche Gefühl, dass sich etwas von hinten näherte. Im Laufe seiner Lehre hatte er ein feines Gespür für solche Dinge entwickelt und wusste, dass normalerweise darauf Verlass war. In Erinnerung an Marcellus Pyes Warnung widerstand er dem Verlangen, sich umzudrehen, doch das Gefühl wurde immer stärker. Von hinten nahte ein großes Geschöpf, und zwar schnell. So schnell, dass sie, wenn sie nicht sofort Platz machten ... Er gab Marcellus und Jenna einen kräftigen Stoß, was in einem Dunkelfeld nicht so einfach ist, und sprang zur Seite.
Es war gerade noch rechtzeitig. Ein Pferd preschte vorbei, groß und schwarz, mit weit aufgerissenen, funkelnden Augen. Seine Mähne wehte in der Dunkelheit, und auf seinem Rücken saß, sich an ihm festklammernd und stumme Entsetzensschreie ausstoßend, Lucy Gringe.
Der dahinfliegende Donner zog eine Schneise, die wie ein Tunnel durch den wirbelnden schwarzen Nebel führte. Marcellus hatte sich rasch wieder gefasst und bedeutete Jenna und Septimus, dem Rappen zu folgen. In dem Tunnel, der die Form eines Pferdes hatte, kamen sie zügig voran. Marcellus und Jenna taten sich leichter, da sie nicht mehr gegen die zähen Dunkelkräfte ankämpfen mussten, aber sie wussten, dass dieser Zustand nicht lang anhalten würde – der Nebel strömte bereits wieder zurück. Sie sahen, dass Donner am Ende des Tunnels stehen geblieben war, und von fern hörten sie gedämpfte Rufe.
»Mom«, flüsterte Jenna aufgeregt Septimus zu. »Ich kann Mom hören!«
Septimus war sich nicht sicher, ob es Sarah war. Für ihn klang es eher nach Lucy Gringe, und daneben war noch eine tiefere Stimme zu vernehmen.
Donners Tunnel fiel langsam in sich zusammen, und wie der Rauch eines Feuers, in dem etwas Übelriechendes verbrennt, wälzten sich Schwaden des schwarzen Nebels in die Schneise. Die Stimmen am Ende des Tunnels wurden zu einem geisterhaften Flüstern, das wie aus weiter Ferne zu ihnen drang, doch Jenna glaubte fest, Sarahs Stimme zu
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