Septimus Heap 06 - Darke
nichts entdecken.«
Auch Jenna drehte sich um. Ihr ging es genauso, sie hatte nur nichts sagen wollen. Das Wort herflattert erinnerte sie an die beiden kleinen Vögel, die bibbernd in ihren Kästchen gesessen hatten. Doch um sich selbst zu beruhigen, sagte sie laut: »Nein, da ist nichts.«
Der unsichtbare Vogel blieb ein paar Minuten auf einem Schrumpfkopf hocken, denn seine kleinen Flügel waren müde von dem langen Flug, dann nahm er die Verfolgung wieder auf.
Sie gingen zügig an der Tür zu Sarah Heaps Salon vorbei, dann an einer Tür, auf der mit Kreide PALAST-DRUCKSCHRIFTEN GMBH geschrieben stand – Silas Heaps Büro. Jenna war froh, dass beide Räume leer waren. Bald gelangten sie an eine schmale Hintertreppe und stiegen in den ersten Stock hinauf. Der hintere Teil des Palastes beherbergte hauptsächlich Privatgemächer, die auf den Fluss hinausgingen, der vordere vor allem Amtsräume, darunter auch den abgesperrten Thronsaal. In dem breiten Korridor herrschte gedämpfte Stille. Dicke, staubige Vorhänge hingen vor den zugigen Fenster und Türen, und der Teppich, der den Boden bedeckte, war der längste der Welt und hier, im Flur, von fahrenden Teppichknüpfern angefertigt worden.
Sie gingen geräuschlos durch das Halbdunkel. Jenna rechnete nicht damit, jemandem zu begegnen, doch als sie an Maizie Smalls’ Zimmer vorbeikamen, flog die Tür auf, und Maizie stürzte heraus.
»Oh!«, rief sie überrascht. »Guten Tag, Prinzessin. Und Beetle. Ich hätte nicht erwartet, Sie hier zu treffen.« Sie bedachte Beetle mit einem missbilligenden Blick. »Nicht hier oben.«
Beetle errötete, doch er hoffte, dass Jenna und Maizie es in dem Halbdunkel des Korridors nicht bemerkten.
»Sie sind früh dran, Maizie«, sagte Jenna gereizt.
»Heute ist die Längste Nacht, Prinzessin Jenna. Bis Einbruch der Dunkelheit muss ich alle Fackeln angezündet haben, und ich helfe immer auch bei einigen Schaufenstern in der Allee. Es ist ein fürchterliches Gehetze.« Maizie zog eine kleine Uhr aus der Tasche und warf rasch einen Blick darauf. »Die Kerzen im Obergeschoss habe ich bereits alle entzündet, und Mr. Pot geht mir im Erdgeschoss zur Hand. Es ist alles geregelt.«
Das laute Prasseln von Schneegraupel gegen eine Dachlaterne ließ alle drei nach oben schauen. »Grausliger Tag zum Rausgehen«, stöhnte Maizie. »Ich muss weiter.«
Schweigend gingen Beetle und Jenna an dem breiten Korridor vorbei, der zu Jennas Zimmer führte – und zu Sir Herewards Geist, der vor der großen Flügeltür wachte. Die blasse Gestalt Sir Herewards hob den einen Geisterarm, den sie noch besaß, zum Gruß, als die vorbeigingen, und bald darauf langten sie am Fuß der Treppe an.
»Nanu!«, rief Jenna. Ein alter roter Samtvorhang, der mit großen rostigen Nägeln an die Wand gespießt war, versperrte den Zugang zur Treppe. Jenna erkannte sofort die Handschrift Silas Heaps. »Das muss Dad gemacht haben«, flüsterte sie. »Er hat mir also doch zugehört ...«
Beetle betrachtete den Vorhang. »Ziemlich behelfsmäßig«, meinte er.
»Typisch Dad.«
»Vermutlich hat er hier eine Art Sperrzauber errichtet«, sagte Beetle. »Und dann hat er das Ding darübergenagelt, damit man ihn nicht sieht. Sperrzauber sehen manchmal etwas komisch aus. Soll ich mal nachschauen?«
Jenna nickte. »Ja, bitte.«
Beetle zückte sein Taschenmesser, klappte das Werkzeug zum Ausziehen rostiger Nägel aus Gips heraus und machte sich an die Arbeit. Eine Sekunde später brach krachend ein großer Gipsklumpen aus der Wand, und der Vorhang fiel Beetle auf den Kopf. »Uff!«, stöhnte er, als er unter einer Wolke aus Staub und toten Spinnen verschwand. »Uff ... igitt! Aufhören! Runter von mir!«
Der Vorhang wollte nicht gehorchen, und Beetle, der sich hinterrücks angegriffen wähnte, begann mit dem Werkzeug zum Ausziehen rostiger Nägel aus Gips nach dem vermeintlichen Angreifer zu stechen. »Autsch ... Hilfe!«
»Beetle!«, schrie Jenna und versuchte, den Vorhang wegzuziehen. »Beetle, halt doch mal still. Hör auf, um dich zu schlagen!«
Schließlich drang ihre Stimme zu ihm durch. »Hä?«, fragte der Vorhang.
»Beetle, halt bitte einen Moment still. Und hör auf, den Vorhang zu erdolchen.«
Der Vorhang beruhigte sich, und Jenna zog ihn mit einer Staubwolke von seinem Opfer herunter.
»Haaatschi!«, machte Beetle.
Jenna betrachtete den Vorhang, der durchlöchert am Boden lag. »Sieger nach Punkten: Beetle.« Sie lachte.
»Jawohl«, knurrte Beetle, nicht ganz
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