Septimus Heap 06 - Darke
glänzten in einem wunderschönen Blaugrün und schillerten wie die Eisvögel, die Jenna früher von ihrem Fenster in den Anwanden aus gern beobachtet hatte. Gegen ihren Willen war Jenna fasziniert.
Sie sah sich die Vögel genauer an, staunte über ihre winzigen Federn, die so naturgetreu wirkten, dass man sie beinahe für echt halten konnte. Vorsichtig streckte sie die Hand aus, strich einem über das Gefieder und – zuckte zurück, als wäre sie gebissen worden. Der Vogel war echt. Er war weich und warm, saß verängstigt da und atmete heftig.
Die alte Frau in dem Sessel klappte die Augen auf wie eine Puppe, die gerade aufgesetzt worden war. »Nimm das Vögelchen ruhig in die Hand, Kleines«, sagte sie mit einer schmeichelnden, wimmernden Stimme.
Jenna trat von dem Stand zurück und schüttelte den Kopf.
Die Chefin mit dem stechenden Blick drehte sich um und funkelte die alte Frau an. »Habe ich nicht gesagt, ihr sollt das mir überlassen?«, bellte sie. »Blöde Kuh!«
»Ooohl«, rief die Kapuzengestalt entsetzt.
Die alte Frau war gar nicht so gebrechlich, wie Jenna angenommen hatte. Sie schnellte förmlich aus ihrem Sessel hoch und deutete mit einem langen, schmutzigen Fingernagel drohend auf die Chefin mit dem stechenden Blick. »Nenn mich nie wieder so«, zischte sie. »Nie wieder!«
Die Chefin wurde so weiß wie das zugekleisterte Gesicht der Alten. »Verzeihung, He ...« Sie unterbrach sich hastig und murmelte dann nur noch einmal: »Verzeihung.«
Plötzlich wusste Jenna, wer diese Frauen waren. »He!«, rief sie. »Ihr seid ...«
Die Chefin beugte sich vor und funkelte Jenna an. »Ja ...?«, rief sie herausfordernd.
Jenna beschloss, lieber nicht zu sagen, dass sie die Frauen für Hexen vom Porter Hexenzirkel hielt. »Ihr seid nicht sehr nett«, vervollständigte sie ihren Satz ein wenig lahm. Dann machte sie, dass sie fortkam, und überließ die fünf Hexen – denn nichts anderes waren sie – ihrem lautstarken Geschnatter.
Die Hexen vom Porter Hexenzirkel beobachteten, wie Jenna in der Menge verschwand.
»Hab ich es doch gewusst, dass das nicht klappt«, meckerte Daphne, die mit den Essensflecken. »Prinzessinnen sind schwer zu fangen. Die Wendronhexen haben es versucht und haben sie auch nicht erwischt.«
»Pah!«, schnaubte die Chefin mit dem stechenden Blick, die Linda hieß. »Die Wendronhexen sind blöde Ziegen. Die müssen noch viel lernen. Ich freue mich schon darauf, ihnen ein paar Lektionen zu erteilen.« Sie lachte gehässig.
Ein wehleidiges Wimmern kam von der Kapuzengestalt, die neben der alten Frau – bei der es sich natürlich um die Hexenmutter des Porter Hexenzirkels handelte – stand. »Aber sie hat den Vogel nicht genommen. Sie hat ihn nicht genommen.«
»Und du kannst auch den Mund halten, Dorinda«, knurrte Linda. »Das spielt überhaupt keine Rolle. Sie hat ihn angefasst, oder vielleicht nicht?«
Linda beugte sich über die beiden kleinen Vögel. Sie atmete tief ein und dann wieder aus, und ihrem Mund entströmte eine Art grauer Nebel, der über den Vögeln einen Kringel bildete und dann auf die Kästchen niedersank. Die Hexen traten näher, um besser zu sehen. Nach einer Weile war ein Flattern zu erkennen, und dann flogen zwei kleine schillernde Vögel aus den Kästchen auf. Flink wie eine Katze pflückte sie Linda aus der Luft und hielt sie, einen in jeder Hand, triumphierend in die Höhe.
Die anderen Hexen schauten beeindruckt zu.
Von irgendwo unter ihren zerlumpten schwarzen Kleidern zog Linda eine Kette hervor. Daran hing ein kleiner silberner Käfig, der ebenso zierlich und schön war wie die anderen Schmuckstücke am Stand. Sie schraubte den Boden des Käfigs auf, öffnete die rechte Faust und stülpte den Käfig darüber. Dann stupste sie den verängstigten Vogel mit dem Finger in den Käfig, der gerade so groß war, dass das Tierchen hineinpasste, drehte den Käfig um und schraubte den Boden wieder an. Schließlich legte sie sich die Kette um den Hals, sodass der Käfig wie ein außergewöhnlicher Anhänger an ihrer Brust baumelte. Der Vogel im Käfig blinzelte verschreckt.
»Unsere Geisel«, erklärte Linda den anderen Hexen. Sie nickten beeindruckt und – wie immer Linda gegenüber – etwas ängstlich.
Nun hielt Linda die linke Faust vor den Käfig und machte sie langsam auf. In ihrer Hand saß zitternd der andere Vogel. Beim Anblick des eingesperrten Artgenossen piepste er kurz und verzweifelt und verstummte dann. Linda hob ihn vor ihr Gesicht und
Weitere Kostenlose Bücher