Septimus Heap 06 - Darke
entscheidenden Schritt zu wagen. In der Hoffnung, Merrin davon überzeugt zu haben, dass sein Dunkelfeld nicht funktionierte, wandte er sich zum Gehen. »Na schön«, sagte er. »Dann gehe ich jetzt. Ich werde den Heaps sagen, wo sie dich finden.« Er schritt langsam zur Tür.
»Nein! He, warte!«, rief Merrin.
Beetle blieb stehen. Er war unendlich erleichtert, aber er wollte es nicht zeigen. »Was ist?«, fragte er.
»Bitte, Beetle, bitte sag es ihnen nicht. Ich weiß doch nicht, wo ich sonst hinkann. Mir geht es elend, und niemand kümmert sich um mich.« Merrin suchte eine Stelle auf dem Laken, in die er sich noch nicht geschnäuzt hatte, und putzte sich kräftig die Nase.
»Und wessen Schuld ist das?«
»Meine, nehme ich an«, seufzte Merrin. »Es ist immer meine Schuld. Das ist einfach nicht gerecht.« Er fingerte bekümmert an dem Ring mit dem Doppelgesicht.
Hagelkörner trommelten gegen die Fensterscheibe. Merrin hob mit herzzerreißender Miene den Kopf. »Beetle. Es ... es ist so kalt draußen. Und nass. Und es wird schon dunkel. Ich kann nirgends hin. Bitte, sag ihnen nichts.«
Beetle verfolgte seinen Plan weiter. »Hör zu, Merrin, Sarah Heap ist wirklich nett. Sie wird dich nicht vor die Tür setzen, nicht in diesem Zustand.« Beetle vermutete, dass er damit die Wahrheit sagte. »Sie wird dich pflegen, bis es dir wieder besser geht.«
»Meinst du?«
»Ganz bestimmt. Sarah Heap kümmert sich um alles. Sogar um dich.«
Merrin fand kein trockenes Stück Laken mehr. Also schnäuzte er sich in die Bettdecke.
Beetle fuhr fort. »Wie wär’s, wenn du mit mir hinuntergingst? Unten ist es warm und gemütlich.«
»Na gut«, sagte Merrin, bekam einen Hustenanfall und sank in das fleckige Kissen zurück. »Ach ... ich glaube, ich bin zu schwach zum Aufstehen.«
»Sei nicht albern«, sagte Beetle scharf. »Du hast nur eine Erkältung.«
»Ich habe Grippe! Wahrscheinlich sogar eine Lungenentzündung.«
Beetle fragte sich, ob Merrin ausnahmsweise einmal die Wahrheit sagte. Er sah wirklich krank aus. Seine Augen waren glasig, und er bekam offensichtlich nur schwer Luft.
»Ich komme mit... ich gebe mich geschlagen«, keuchte Merrin. »Aber du musst mir helfen. Bitte.«
Widerwillig ging Beetle zu dem Bett hin. Es roch nach schmutzigen, feuchten Kleidern, Schweiß und Krankheit.
»Danke, Beetle«, murmelte Merrin und blickte ihm sonderbar über die Schulter. Beetle sträubten sich die Nackenhaare, und die Temperatur in der eisigen Kammer fiel um einige weitere Grade. Merrin streckte die rotzige Hand aus, und während sich Beetle angeekelt vorbeugte, um sie zu ergreifen, setzte sich Merrin plötzlich senkrecht auf und packte ihn am Arm. Wie ein Schraubstock umklammerten seine knochigen Finger Beetles Unterarm. Der Ring an Merrins Daumen drückte ihm ins Fleisch und begann, sich hineinzubrennen. Beetle schnappte nach Luft.
»Nenn mich nie, nie wieder dumm«, zischte Merrin und blickte ihm erneut gespannt über die Schulter. »Nicht ich bin der Dumme, sondern du!«
Beetle überlief es eiskalt. Er spürte, dass etwas sehr Böses hinter ihm stand, und wagte nicht, sich umzudrehen. Er gab keine Antwort. Seine Kehle war plötzlich wie ausgetrocknet.
Hinter Beetle drängte sich eine ganze Schar von Gespenstern, die gespürt hatten, dass Merrin die Kontrolle über das Dunkelfeld zu verlieren drohte. Merrin hatte sie ungefähr achtzehn Monate zuvor in den Ödlanden herbeigezaubert, als er den Ring mit dem Doppelgesicht in seinen Besitz gebracht hatte. Sowie der Ring seine volle Macht erlangt hatte, hatte Merrin die Gespenster in den Palast gerufen, für seine »Pläne«, wie er es nannte.
Seine Selbstsicherheit war zurückgekehrt. »Du bist in meinem Dunkelfeld, und du weißt es«, krächzte er. »Und ich weiß, dass du es weißt.«
Beetle wankte. Von Merrins Ring schössen stechende Schmerzen seinen Arm hinauf und in seinen Kopf. Ihm wurde übel und sehr, sehr schwindelig. Er versuchte, sich loszureißen, doch Merrin hielt ihn fest. Mit der freien Hand zog Merrin ein kleines, mit Eselsohren verunstaltetes Buch unter der Bettdecke hervor und wedelte damit triumphierend vor Beetle herum.
»Siehst du das?«, zischte er Beetle ins Ohr. »Das habe ich gelesen, und jetzt kann ich Dinge, von denen du nicht einmal zu träumen wagst. Warte nur ab, Bürogehilfe. Ich werde es allen zeigen. All diesen hochnäsigen Wichtigtuern hier in der Burg und im Manuskriptorium. Die werden es noch bereuen, dass sie nicht netter zu
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