Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
sollen darüber befinden, was mit euch geschieht.«
Wir nahmen frische Pferde und machten uns erneut auf den Weg, diesmal Richtung Stadttor. Kiggs wollte nicht, dass Drachen von dem Geheimgang wussten. Die Wachen hielten uns schroff an, ließen uns jedoch sofort passieren, als sie den Prinzen erkannten. Durch den unberührten Schnee der schlafenden Stadt ritten wir hinauf zum Schloss.
Natürlich waren weder die Königin noch der Ardmagar um diese Zeit zu sprechen, was Kiggs zum Anlass nahm, uns in der Zwischenzeit genau im Auge zu behalten. Er sperrte uns im Vorzimmer der Königin ein und ließ uns von drei seiner Gardisten bewachen. Basind, den mein Onkel auf ein elegantes rotes Sofa gesetzt hatte, nickte mit dem Kopf an Ormas Schulter gelehnt ein. Kiggs marschierte unruhig auf und ab. Sein Kinn war stoppelig, seine Augen glänzten vor nervöser, fiebriger Energie, ein Zeichen äußerster Erschöpfung. Er konnte seinen Blick nicht ruhig halten; er sah überall hin, nur nicht zu mir.
Aber ich konnte nicht anders, ich musste ihn anschauen, auch wenn dabei jedes Mal etwas Schreckliches in mir hochstieg. Ich war voller Unruhe, mein linker Unterarm begann zu jucken. Ich musste von hier weg, und dazu fiel mir nur eine einzige Möglichkeit ein.
Ich stand auf. Sofort nahmen die drei Wachen Habtachtstellung ein. Jetzt blieb Kiggs nichts anderes übrig als mich anzusehen. Ich sagte: »Prinz, ich möchte keine Umstände machen, aber ich muss in den Waschraum.«
Er starrte mich verständislos an. Sagte man in der vornehmen Gesellschaft etwa nicht Waschraum? Wie würde es Lady Corongi ausdrücken? Kammer der misslichen Notwendigkeiten? Der Drang, von hier wegzukommen, ließ meine Stimme unnatürlich hoch klingen. »Ich bin kein Drache. Ich kann mich nicht einfach in eine Grube kauern oder Schwefel in den Schnee pinkeln.« Letzteres bezog sich auf Basind, der dies auf dem Nachhauseweg getan hatte.
Kiggs blinzelte heftig, wie um wach zu werden, und machte zwei Handbewegungen. Ehe ich mich versah, zog mich einer der Wachen den Gang entlang. Er schien fest entschlossen zu sein, mir so viele Unannehmlichkeiten wie möglich zu bereiten, denn wir gingen an all den einigermaßen warmen Toiletten im inneren Wohnbereich vorbei und überquerten den steinernen Innenhof, stapften durch den Schnee bis zu einem Plumpsklo für die Soldaten an der südlichen Festungsmauer. Wir kamen an den Nachtwachen vorbei, die sich um ein paar Kohlebecken versammelt hatten, ihre Armbrüste reinigten und dröhnend lachten; als mich ihr Kamerad an ihnen vorbeiführte, verstummten sie und glotzten.
Mir war es egal, ich wäre auch den ganzen Weg bis Trowebridge gegangen. Hauptsache weg von Kiggs.
Ich schloss die Tür des kleinen Latrinenhäuschens und verriegelte sie sorgfältig. In dem Abtritt roch es gar nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Er hatte zwei Sitze, und die Hinterlassenschaften fielen direkt in den Wehrgraben darunter. Durch die Löcher sah ich den verschneiten Boden. Ein eisiger Wind frischte auf, der ausgereicht hätte, selbst dem eisernsten Soldaten den Hintern abzufrieren.
Ich öffnete die Klappe des Fensters, das keine Scheiben hatte, damit etwas Licht hereinfiel. Dann kniete ich mich auf das Holz zwischen den Drachenaugen (wie manche Leute die beiden Löcher bezeichneten), stützte die Ellbogen auf den Fenstersims und den Kopf in die Hände. Ich schloss die Augen und sprach mir immer wieder Mantras vor, die Orma mir beigebracht hatte, damit sich meine Gedanken beruhigten. Aber ein Gedanke schwirrte mir beständig durch den Kopf, stach mich wie eine Hornisse, immer und immer wieder.
Ich liebte Lucian Kiggs.
Ich lachte bitter auf, einen alberneren Platz hätte ich mir für diese Erkenntnis kaum aussuchen können. Dann fing ich an zu weinen. Wie dumm war ich eigentlich, dass ich Gefühle zuließ, die ich gar nicht haben durfte, mir eine Welt erträumte, die es gar nicht gab? Ich war ein schuppiges Ungeheuer; wenn ich den Ärmel hochschob, hatte ich den Beweis. Und daran würde sich auch nie etwas ändern.
Allen Heiligen sei Dank, der Prinz hatte nicht nur eherne Grundsätze, sondern auch eine Verlobte, und beide standen zwischen uns. Und, dem Himmel sei Dank, er war wütend auf mich, weil er mich für eine gewöhnliche Lügnerin hielt. Ich sollte mich eigentlich über diese Dinge freuen, die uns trennten, denn sie bewahrten mich vor einer schlimmen Demütigung.
Dennoch kehrten meine verdrehten Gedanken immer wieder zu dem
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