Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
Gesicht in meinem Haar, halb weinend, halb schimpfend.
»Das Leben ist so kurz«, sagte ich, ohne genau zu wissen, warum ich das sagte. Ich wusste nicht einmal, ob das für jemanden wie mich auch zutraf.
So standen wir im eiskalten Schnee, hielten uns aneinander fest, als Orma auf der nächstgelegenen Anhöhe landete, dicht gefolgt von Basind. Kiggs hob den Kopf und starrte fassungslos auf die beiden. Mir stockte das Herz.
Ich hatte ihm gesagt, dass ich keinen Apparat hätte. Ich hatte dem Prinzen ins Gesicht gelogen und hier war der Beweis dafür: der Drache, den ich gerufen hatte, und sein dämlicher Kumpan.
Einundzwanzig
D er Spekulus-Tag war für uns Goreddis ein Tag, an dem man über die eigenen Sünden und Verfehlungen nachdenken soll. Der Jahreswechsel ging über in die längste Nacht des Jahres, die uns an die lange Finsternis des Todes erinnern soll, in die jene Seelen verfallen, die das himmlische Licht scheuen.
Ganz sicher war es die längste Nacht, die ich je erlebt hatte.
Kiggs hatte natürlich sein Schwert wieder gezogen, hielt es jedoch kraftlos in der Hand. Es hatte schon gegen einen Drachen nichts genützt, gegen zwei taugte es nur als Symbol des Widerstands.
»Wir sind nicht in Gefahr«, sagte ich, um ihn zu beruhigen. Meine Worte waren so nutzlos wie sein Schwert. »Das ist Orma, und hinter ihm ist Basind. Ich habe Basind nicht gerufen.«
»Aber du hast Orma gerufen? Mit dem Ding, das du angeblich gar nicht besitzt?«
»Ich habe kein Gerät, wie ich es Imlann weisgemacht habe – ich habe mir das ganz spontan ausgedacht –, und ich wollte Euch erst einmal beruhigen und dann … dann habe ich vergessen, Euch von dem Ohrring zu erzählen.«
»Verstehe. Also hat dir Orma dieses Ding gegeben, und wenn du ihn rufst, kommt er unverzüglich wie ein braves Schoßhündchen an, und das, obwohl er – wie hast du dich ausgedrückt – rein gar nichts für dich empfindet?«
»Wir sind nicht … nein. Es ist alles ganz anders.«
»Wie ist es denn?«, schrie er mich wütend an. »Bist du seine Gehilfin oder ist er dein Spießgeselle? Da ist etwas zwischen euch beiden, hinter dieser Fassade von Lehrer und Schülerin, etwas, auf das sich Drachen und Menschen niemals einlassen sollten. Es ist abnorm, so viel steht fest. Ich weiß zwar nicht genau, was es ist, aber ich habe das Rätselraten satt!«
»Kiggs …« Ich fand keine Worte.
»Prinz Lucian, wenn es dir nichts ausmacht«, erwiderte er kühl. »Sag ihnen, sie sollen ihre menschliche Gestalt annehmen.«
Orma kam mit unterwürfig gesenktem Kopf herbei. Anscheinend hatte er Basind befohlen, sich flach in den Schnee zu legen, denn Basind gab das vollkommene Bild einer Echse ab, die von einem Karren überfahren wurde – wenngleich es sich dabei um eine riesige Echse und einen ebenso riesigen Karren handelte.
»Ihr werdet alle eingesperrt«, sagte Kiggs laut und deutlich »Ihr beiden, weil ihr euch unerlaubt verwandelt habt, und Maid Dombegh, weil sie mit zwei vertragsbrüchigen Drachen unter einer Decke steckt …«
»Der Umgang mit Drachen ist nicht verboten«, protestierte ich.
»Aber ein Übermittlungsgerät der Quigutl zu besitzen sehr wohl. Drachen zu helfen und zu begünstigen ebenfalls. Ich könnte noch mehr aufzählen.« Er wandte sich wieder an die Drachen und sagte: »Ihr werdet sofort wieder in eure Saarantrai zurückkehren.«
Orma rief: »Serafina, wenn ich mich für nichts und wieder nichts verwandelt habe, dann hast du mich in entsetzliche Schwierigkeiten gebracht. Sag mir einen Grund, warum ich dir nicht den Kopf abbeißen sollte. Verschlimmern könnte ich meine Lage damit auch nicht mehr.«
Ich übersetzte das für Kiggs wie folgt: »Ihr habt von uns nichts zu befürchten, Prinz, und wir werden Eurer wohlbegründeten Bitte Folge leisten, aber wir können uns nicht verwandeln, denn Ihr habt keine Kleidung für uns und wir würden erfrieren.«
»Bist du in Prinz Lucian verliebt?«, schrie mein Onkel. »Was habt ihr gemacht, als ich ankam? Ihr wolltet euch doch nicht etwa hier, mitten im Schnee, einander hingeben?«
Ich musste einen Moment warten, bis ich meine Stimme wieder in der Gewalt hatte, dann sagte ich: »Die Drachen schlagen vor, dass sie vorausgehen. Mit ihrem scharfen Blick erkennen sie die Straße viel besser als wir. Sie werden nicht fliehen.«
»Ich habe dir befohlen, Imlann nicht zu verfolgen«, schrie mein Onkel. »Ich weiß, dass er hier war. Ich kann ihn riechen. Warum hast du ihn nicht zurückgehalten,
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