Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
damit ich ihn endlich erledigen kann?«
Das war zu viel. Ich rief: »Du kannst nicht alles zugleich haben, Orma!«
»Steig auf«, befahl Kiggs, der die Pferde beieinandergehalten hatte. In Gegenwart zweier ausgewachsener Drachen waren sie nervös, deshalb brauchte ich einige Zeit, um aufzusitzen. Kiggs hielt das Zaumzeug meines Reittiers, aber er sah mich nicht an.
Die Drachen hatten fügsam die Köpfe gesenkt und trotteten voran. Wo sie gingen, hinterließen sie im Schneematsch riesige Fußstapfen. Der Prinz und ich folgten ihnen in quälender Stille.
Dabei hatte ich genügend Zeit zum Nachdenken. Wie hatte Imlann uns gefunden? Hatte er uns schon seit dem Niederwald verfolgt oder hatte er darauf gewartet, dass wir denselben Rückweg nahmen? Woher wusste er überhaupt, dass wir umkehren würden?
»Prinz Lucian«, setzte ich an und lenkte mein Pferd neben ihn.
»Maid Dombegh, es wäre mir lieber, du würdest schweigen«, sagte er und ließ die beiden Saar nicht aus den Augen.
Das tat weh, aber ich blieb stur. »Ich vermute, Imlann wusste genau, wohin wir reiten wollten und dass wir wieder zurückkehren würden. Vielleicht hat jemand im Palast es ihm gesagt oder vielleicht wohnt er, in der Tarnung seines Saarantras, selbst im Palast. Wer wusste, wohin wir heute gehen?«
»Meine Großmutter«, antwortete er knapp. »Und Glisselda. Keiner von beiden ist ein Drache.«
Ich wagte es kaum, die Vermutung auszusprechen, aber ich musste es tun. »Könnte Graf von Apsig es rein zufällig von Glisselda erfahren haben?«
Er sah mich von der Seite an. »Selbst wenn sie davon gesprochen hat – was ich nicht glaube –, was willst du damit andeuten? Dass er ein Verräter ist oder ein Drache?«
»Er ist vor zwei Jahren wie aus heiterem Himmel hier aufgetaucht – das habt Ihr selbst gesagt. Er trinkt keinen Wein und hat blondes Haar und blaue Augen.« Mein Saargeruch war ihm nicht verborgen geblieben, aber das konnte ich ja nicht ins Feld führen. »Er war auf der letzten Jagd Eures Onkels dabei«, fügte ich hinzu. Das war allerdings kein Beweis, sondern allenfalls ein Begleitumstand.
»Aber du übersiehst sehr vieles, was dagegen spricht«, erwiderte der Prinz, der sich nun doch auf das Gespräch einließ, und sei es auch nur, um mich zu widerlegen. »Ich dachte, wir wären uns einig, dass er Lars’ Halbbruder ist.«
»Ihr habt gesagt, das sei ein Gerücht. Es könnte genauso gut auch falsch sein.« Ich wagte nicht, auszusprechen, woran ich jetzt dachte: Wenn Josef eine Drache war, könnte er Lars’ Vater sein.
»Er spielt die Gambe wie ein Engel. Und er sagt, dass er Drachen hasst.«
»Imlann verstellt sich vielleicht mit Absicht, um jeden Verdacht zu zerstreuen.« Ich konnte auf die musikalischen Künste nicht eingehen, ohne gleichzeitig meine Mutter ins Spiel zu bringen, deren Flötenmusik einen Schmelz hatte, wie ihn sonst nur Menschen hervorbringen können, wenn man Orma glauben durfte.
Der Prinz sah mich spöttisch an und ich beeilte mich hinzuzufügen: »Ich bitte Euch ja nur, diese Möglichkeit nicht gleich von der Hand zu weisen. Forscht nach, ob irgendjemand Josef heute am Hofe gesehen hat.«
»Ist das alles, Maid Dombegh?«
Meine Zähne klapperten vor Kälte und Aufregung. »Nicht ganz. Ich möchte Euch noch etwas über Orma sagen.«
»Ich will es nicht hören«, sagte er und trieb sein Pferd an.
»Er hat mir das Leben gerettet!«, rief ich ihm nach. Ich war entschlossen, weiterzusprechen, ob er es nun hören wollte oder nicht. »Orma war mein Lehrer, als ich noch klein war. Ihr wisst doch, seine Familie steht unter genauer Beobachtung. Die Zensoren fürchteten, dass er seinen Schülern zu sehr zugetan sein könnte, denn er unterrichtete gerne und war ein guter Lehrer. Sie schickten einen Drachen namens Zeyd, der ihm auf den Zahn fühlen sollte. Zeyd lockte mich unter einem Vorwand auf den Glockenturm von Sankt Gobnait und tat so, als wolle sie mir ein Leid antun. Ihr Plan war einfach. Wenn Orma mich zu retten versuchte, würde er sich verdächtig machen. Es wäre der Beweis gewesen, dass er mir freundliche Gefühle entgegenbrachte.«
Ich schluckte. Mein Mund wurde trocken, wenn ich daran dachte, wie meine Schuhe in die Tiefe gefallen waren, wie der Wind getost und die Welt um mich herum geschwankt hatte.
Gegen seinen Willen hörte Kiggs mir zu; mein Pferd trottete neben seinem her. »Orma kam«, sagte ich, »und mein erster Gedanke war: Hurra! Er wird mich retten . Aber er lehnte sich gegen die
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