Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
wir nennen sie die Kleine Arde – über Land schicken. Eskar wird sie anführen.« Sie spielte mit ihrer langen Perlenkette und verknotete sie. »Sie werden in ihren Saarantrai bleiben, solange kein Notfall eintritt. Die Suche wird bei der Säule der Krähen beginnen, weil Imlann dort vor Kurzem gewesen ist. Von da aus wollen sie seine Witterung aufnehmen. Da gibt es aber etwas, was mich allerdings sehr verwundert.« Sie warf mir einen düsteren Blick zu und ließ die verknotete Kette vor meiner Nase baumeln. »Du warst so hilfreich und klug, man müsste doch meinen, dass Lucian voll des Lobes für dich ist. Aber nein, weit gefehlt. Ich weiß, dass er dich wegen einer Kleinigkeit verhaften ließ. Er ist offensichtlich fürchterlich wütend, will mir jedoch nicht verraten, warum. Wie soll ich den Streit zwischen euch schlichten, wenn ich nicht einmal weiß, was vorgefallen ist? Ich möchte nicht, dass ihr miteinander hadert!«
Ich musste wohl vor Erschöpfung geschwankt haben, denn Glisselda fuhr Millie herrisch an: »Mach dieser armen Frau eine Tasse Tee!«
Der Tee half mir, aber er trieb mir auch das Wasser in die Augen. »Meine Augen tränen«, stellte ich das Offensichtliche fest.
»Schon gut«, sagte Glisselda. »Ich würde auch weinen, wenn Lucian so ärgerlich auf mich wäre.«
Ich wusste nicht, was ich ihr erwidern sollte. So etwas war mir noch nie passiert. Sonst wusste ich immer, was ich sagen konnte und was ich besser verschwieg, und auch wenn ich Lügen verabscheute, so hatte ich sie bisher noch nie als unerträgliche Bürde empfunden. Ich versuchte mich an meine eigenen Grundsätze zu erinnern: das Einfachste ist immer das Beste. Mit bebender Stimme sagte ich: »Er ist wütend auf mich, weil ich ihn angelogen habe.«
»Was das betrifft, ist Lucian sehr empfindlich«, sagte Glisselda wissend. »Weshalb hast du ihn angelogen?«
Das war, als wollte sie von mir wissen, weshalb ich atmete. Ich konnte ihr ja schlecht erklären, dass die Lüge nicht so sehr darin lag, was ich sagte, sondern was ich war. Oder hätte ich ihr etwa erklären sollen , dass ich nicht wollte, dass Kiggs sich vor mir fürchtete? Weil ich nämlich dort draußen im Schneetreiben und mitten im Ascheregen begriffen hatte, dass ich ihn …
Im Angesicht seiner Verlobten, die mir gegenübersaß, durfte ich dieses Wort nicht einmal denken, und das war schon die nächste Lüge.
Es schien nie enden zu wollen.
»Wir … wir waren so verstört nach der Begegnung mit Imlann«, stotterte ich. »Ich habe geredet, ohne nachzudenken, ich wollte ihn nur beruhigen. Ehrlich gesagt, hatte ich ganz vergessen, wen ich vor mir hatte …«
»Ich sehe dir an, dass du die Wahrheit sprichst. Sag ihm genau das, dann wird alles wieder gut.«
Natürlich hatte ich ihm das schon gesagt, mehr oder weniger, aber alles war dadurch nur noch schlimmer geworden. Prinzessin Glisselda ging zur Tür und Millie folgte ihr wie ein Schatten. »Ihr beide werdet euch aussprechen und alles ins Reine bringen. Lass mich nur machen.«
Ich stand auf und knickste. Glisselda drehte sich noch einmal um. »Ach ja, noch etwas. Graf Josef war gestern den ganzen Tag über nicht im Palast. Lucian hat mir von deinem Verdacht berichtet, und ich habe ihm aufgetragen, sich umzuhören. Apsig behauptet, er sei in der Stadt bei seiner Mätresse gewesen, aber er will ihren Namen nicht nennen.« Sie sah mich halb um Entschuldigung bittend an. »Ich muss gestehen, ich habe ihm auf dem Ball von euren Plänen erzählt. Er wollte von mir wissen, was Lucian mit dir zu schaffen hat. Das war vielleicht nicht sehr klug von mir, aber«, fügte sie hinzu, »von nun an haben wir ein wachsames Auge auf ihn.«
An der Tür blieb Glisselda stehen und drohte mir spielerisch mit dem Finger. »Ich kann es nicht leiden, wenn Lucian und du streitet! Ich brauche euch beide!«
Als die beiden gegangen waren, taumelte ich in mein Schlafzimmer und warf mich aufs Bett. Ich beneidete Glisselda um ihre Zuversicht, aber ich fragte mich, ob sie auch dann Frieden stiften wollte, wenn sie wüsste, was ich unausgesprochen im Herzen trug.
Mitten in der Nacht erwachte ich voller Angst, denn irgendwo brannte ein Feuer.
Ruckartig setzte ich mich auf, besser gesagt, ich versuchte es, versank jedoch in einem Sumpf aus Federn. Ich hatte das Gefühl, als wolle mich meine Matratze verschlingen. Ich war in Schweiß gebadet. Die Vorhänge vor meinem Bett wehten sachte im Schein des friedlich glimmenden Kaminfeuers. Hatte ich nur
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